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Drei Schicksale in einer alternativen Welt

von Yvonne

Uusimaa liegt im Bottnischen Meer, doch nicht nur Susanne Sendler, eine der drei Hauptfiguren in Franz Friedrichs Roman Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr, wird sich schwer tun, die finnische Insel auf der Landkarte zu finden. Weit weg von Finnland und auch von Schweden ist die Insel 1997 nicht bewohntes Gebiet, auf dem vor allem Vogelkundler ihrer Arbeit nachgehen. Dokumentarfilmerin Susanne kommt auf die Insel, um einen Naturfilm zu drehen, ihren einzigen. Denn die auf der Insel beheimateten Lappland-Meisen haben das Singen völlig und völlig unerklärlich eingestellt.

Zehn Jahre später – und ab hier unterscheidet sich Friedrichs Realität von unserer – lebt eine amerikanische Studentin in Berlin. Monika ist aus den USA nach Deutschland gekommen, weil in ihrer Heimat die Folgen des verlorenen Irak-Kriegs wirtschaftlich so stark zu spüren sind, dass man kaum mehr vernünftig leben kann. Auch sie stößt auf Spuren aus Uusimaa: einen finnischen Chor.

2017 hat sich nach wirtschaftlichen Umbrüchen die Kerneuropäische Union gegründet, die all ihren Bürgern ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlt. Deutschland nimmt noch nicht teil, und so lebt der Berliner Filme-Macher, den wir auf dem Weg nach Uusimaa begleiten, quasi von seiner belgischen Frau. Sein Ziel ist es, die plötzlich wieder singenden Meisen zu filmen und so den verschollenen Film der ebenfalls verschollenen Susanne Sendler zumindest zu ergänzen, wenn er ihn schon nicht ersetzen kann. Doch sein Flugzeug – eins der letzten, das bei den hohen Kerosinpreisen überhaupt noch fliegt – stürzt ab, eher er die Insel erreicht.

Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr – und dann doch wieder

Immer wieder blitzen in Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr Andeutungen auf über eine Gesellschaft, die zwar nur punktuell anders ist als unsere, aber sich von dieser vor allem dadurch unterscheidet, dass sie funktioniert, dass sie überdauert hat. Das Rätsel der schweigenden Lappland-Meisen wird zum Sinnbild einer sich wandelnden Gesellschaft und des schwierigen Zusammenlebens von Mensch und Natur oder einfach nur von Mensch und Mensch. Manchmal wird die dem Leser unbekannte Vergangenheit ein wenig zu plakativ eingeführt, zu sehr mit dem Holzhammer verabreicht, doch die Tatsache, dass da ganz nebenbei eine Beinahe-Utopie entworfen wird, entschädigt dafür.

Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr ist der Debütroman von Franz Friedrich, der ihm gleich eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2014 einbrachte. Außerdem wurde er mit dem Jürgen-Ponto-Literaturpreis ausgezeichnet.

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