Nachdem der Gewinner des Deutschen Buchpreis 2011 Eugen Ruge (In Zeiten des abnehmenden Lichts) mich im letzten Jahr sehr positiv überrascht hat, schaue ich dieses Jahr – wie beim Man Booker Prize – natürlich früher und genauer hin. Seit heute ist die 20 Titel umfassende Longlist veröffentlicht. Ich habe ein wenig recherchiert und hier die Informationen zu den nominierten Titeln zusammengetragen. Die Shortlist wird am 12. September bekannt gegeben; die Verleihung des Deutschen Buchpreis 2012 erfolgt am 8. Oktober. Viele der nominierten Titel klingen spannend (und eins davon steht bereits in meinem Bücherregal, mindestens sechs weitere werden wohl folgen). Man darf also gespannt sein, wer der diesjährige Gewinner wird. Meine persönlichen Favoriten bisher: „Bugatti taucht auf“ von Dea Loher, „Weitlings Sommerfrische“ von Sten Nadolny und „Indigo“ von Clemens J. Setz. Für alle, die sich selbst einen Eindruck verschaffen wollen: Im Buchhandel wird es in den nächsten Tagen einen Sammelband mit Leseproben aus der Longlist geben.
Longlist Deutscher Buchpreis 2012
Robinsons blaues Haus (Ernst Augustin)
Eine Art Schelmenroman mit Fantasy-Elementen, in dem ein moderner Robinson mitten in unserer Gesellschaft strandet, in seiner Erzählung mit dem Geld seines Vaters durch die ganze Welt reist, bis er am Ende dem Tod begegnet.
Ernst Augustin, geboren 1927 in Hirschberg, arbeitete als Arzt und Psychiater, bevor er als Schriftsteller bekannt wurde. Er schreibt phantastische und surrealistische Romane. [Zur Rezension…]
Gutgeschriebene Verluste (Bernd Cailloux)
Autobiographisch geprägter Roman über einen Sechzigjährigen in Berlin, der sich noch einmal verliebt hat und darüber hinaus Bilanz über sein sehr wechselhaftes Leben zwischen Scheinwerferlicht und den Schattenseiten des Lebens zieht.
Bernd Cailloux, 1945 in Erfurt geboren, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Er war bereits 2005 für “Das Geschäftsjahr 1968/69” für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Aller Tage Abend (Jenny Erpenbeck)
Fünf verschiedene Entwürfe für das Leben einer Frau: In jedem Kapitel stirbt die Hauptfigur in einem anderen Alter, wodurch sich auch das Leben ihres Umfelds ändert. Die Idee erinnert an die Graphic Novel Daytripper von Gabriel Bá und Fábio Moon.
Jenny Erpenbeck wurde 1965 in Ost-Berlin geboren und ist als Musiktheater-Regisseurin, Autorin und Kolumnistin erfolgreich.
Ich nannte ihn Krawatte (Milena Michiko Flašar)
Auf einer Parkbank treffen ein junger und ein deutlich älterer Mann aufeinander, und der jüngere, der lange Zeit eingeschlossen war, bevor er nun zum ersten Mal wieder der Welt entgegen tritt, erzählt dem Unbekannten von seinem Leben, bis sie Freundschaft schließen.
Milena Michiko Flašar wurde 1980 in St. Pölten geboren, studierte Komparatistik, Germanistik und Romanistik und arbeitet als Schriftstellerin und Deutsch-Lehrerin.
Johann Holtrop (Rainald Goetz)
Roman über den erfolgreichen Leiter eines Großkonzerns mit 80.000 Mitarbeitern, den in den Nullerjahren der wirtschaftliche und soziale Abstieg genau so unverhofft trifft wie zehn Jahre zuvor sein Aufstieg an die Spitze des Unternehmens.
Rainald Goetz, geboren 1954 in München, hat bereits zahlreiche Literaturpreise gewonnen. Berühmt wurde seine 1983 blutüberströmt vorgetragene Lesung für den Ingeborg-Bachmann-Preis.
Der Russe ist einer, der Birken liebt (Olga Grjasnowa)
Mascha kommt aus Aserbaidschan, ist Jüdin, lebt in Deutschland – multikulturell und polyglott. Als ihr alter Freund Elias, der in Israel lebt, schwer krank wird, kehrt sie zurück in ein Land, das ihr fremd und gleichzeitig ihre Heimat ist.
Olga Grjasnowa, geboren 1984 in Aserbeidschan, ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ ist ihr erster Roman.
Sand (Wolfgang Herrndorf)
1972 sind verschiedene Geheimdienste und zufällig in die Geschichte geratene Privatpersonen in Nordafrika auf der Suche nach einem verloren gegangenen Mikrofilm, der geheime Informationen enthält, wobei sie mehr Verwirrung stiften als Klarheit schaffen.
Wolfgang Herrndorf, 1965 in Hamburg geboren, ist Schriftsteller und Maler. Für „Sand“ erhielt er 2012 den Preis der Leipziger Buchmesse. [Zur Rezension…]
Die Liebe in groben Zügen (Bodo Kirchhoff)
Vila und Renz sind verheiratet, erfolgreich und werden demnächst Großeltern. Ihre Ehe ist gekennzeichnet durch die ständige Suche nach Liebe und Vertrautheit, die Vila unerwartet und intensiv bei einem anderen Mann findet.
Bodo Kirchhoff, geboren 1948 in Hamburg, schreibt Romane, Kurzgeschichten und Drehbücher. Er lebt in Deutschland und Italien.
Scherbengericht (Germán Kratochwil)
Zur Jahrtausendwende treffen drei Generationen Auswanderer in Patagonien aufeinander, um ein Familienfest zu feiern, bringen jedoch ungelöste Familien- und Zugehörigkeitsprobleme mit sich, die sich auf der Feier zuspitzen.
Germán Kratochwil wurde in Korneuburg geboren und lebt heute in Patagonien. „Scherbengericht“ ist sein Debütroman.
Landgericht (Ursula Krechel)
Der Richter Richard Kornitzer kehrt Ende der 1940er Jahre aus dem Exil nach Deutschland zurück, das ihm völlig fremd geworden ist. Er versucht, seine in alle Winde zerstreute Familie zusammen zu bringen und sich in der Heimat wieder einzuleben.
Ursula Krechel wurde 1947 in Trier geboren. Sie hat mehr als dreißig Romane veröffentlicht und wurde vielfach ausgezeichnet.
Bugatti taucht auf (Dea Loher)
In einer sinnlosen Tat wird ein junger Mann in Locarno von einer Gruppe Jugendlicher verprügelt und getötet. Aus den Zeugenaussagen ist die Tat nicht zu rekonstruieren. Währenddessen versucht ein Freund der Familie, einen seit Jahren auf dem Grund des Lago Maggiore liegenden Bugatti zu bergen.
Dea Loher, 1964 in Traunstein geboren, schreibt vor allem Theaterstücke. „Bugatti taucht auf“ ist ihre zweite Romanveröffentlichung. [Zur Rezension…]
Heimlich, heimlich mich vergiss (Angelika Meier)
Weit oberhalb der „normalen“ Welt liegt eine gläserne Psychiatrie, aus der man nicht herausschauen kann. Der Psychiater Dr. Stern schafft es nicht, den ihm abverlangten Eigenbericht zu schreiben, und begibt sich stattdessen auf das ungewohnte Terrain der Außenwelt.
Angelika Meier, 1968 geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin. Die Dystopie „Heimlich, heimlich mich vergiss“ ist ihr dritter Roman. [Zur Rezension…]
Weitlings Sommerfrische (Sten Nadolny)
Richter Wilhelm Weitling überlebt nur knapp das Kentern seines Segelboots in einem Sturm. Obwohl er mit dem Leben davon kommt, ist doch plötzlich alles anders, denn er reist in seine eigene Vergangenheit und trifft sich selbst als Jugendlichen wieder.
Sten Nadolny wurde 1942 in Zehdenick geboren. Er erhielt bereits mehrere Literaturpreise, darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis und den Hans-Fallada-Preis. [Zur Rezension…]
Wir in Kahlenbeck (Christoph Peters)
Anfang der Achtziger wächst der 15jährige Carl Pacher im streng katholischen Jungeninternat Collegium Kahlenbeck heran. Zu den Problemen, die Jugendliche in diesem Alter haben, treten Ausgrenzung und Demütigung unter den Schülern.
Christoph Peters wurde 1966 in Kalkar geboren. Seine mehr als zehn Romane wurden zahlreich ausgezeichnet, unter anderem mit dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für Literatur.
die Laute (Michael Roes)
Asis wird als Junge vom Blitz getroffen und hat seitdem den Kopf voller Melodien, die niemand außer ihm hört. Später verliert er sein Gehör, gibt jedoch nicht auf, sondern erkämpft sich seinen Platz in der Welt als Komponist.
Michael Roes wurde 1960 in Rhede geboren. Er hat mehr als zwanzig Romane veröffentlicht, schreibt Gedichte und produziert Filme.
Sunrise (Patrick Roth)
Held dieses Romans ist Joseph, Marias Mann und Jesu „Ziehvater“. Ihm, dem in den Evangelien nur eine Nebenrolle zuteil wird, schreibt Patrick Roth eine Geschichte, die eingebettet ist in eine Rahmenhandlung, die 70 Jahre nach Christi Geburt spielt.
Patrick Roth, geboren 1953 in Freiburg/Breisgau arbeitet als Schriftsteller und Regisseur. Einige seiner Romane befassen sich mit biblischen Themen.
Onno Viets und der Irre vom Kiez (Frank Schulz)
Onno Viets, äußerst eigenwilliger und mäßig erfolgreicher Hartz IV-Empfänger entschließt sich, Privatdetektiv zu werden, und gerät in seinem ersten Fall nach Mallorca, wo er die Untreue der Freundin eines Popstars beweisen soll.
Frank Schulz, 1957 in Hagen geboren, wurde vor allem durch seine Romane „Kolks blonde Bräute“ und „Morbus fonticuli“ bekannt.
Indigo (Clemens J. Setz)
Der Mathematiklehrer Clemens Setz arbeitet an einer Internatsschule, in der Kinder unterrichtet werden, die am „Indigo-Syndrom“ leiden. Er kommt seltsamen Machenschaften auf die Spur, kann jedoch nichts ausrichten, weil er aus dem Schuldienst entlassen wird.
Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren. 2011 erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse für seinen Roman „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“. [Zur Rezension…]
Fliehkräfte (Stephan Thome)
Mit Ende 50 erhält Hartmut Hainbach, der eigentlich alles im Leben erreicht hat, was man erreichen kann und will, ein Job-Angebot, das ihn alles hinterfragen lässt: seine Ehe, seinen Beruf und die Beziehung zur erwachsenen Tochter.
Stephan Thome, 1972 in Biedenkopf geboren, ist Philosph und Schriftsteller. „Fliehkräfte“ ist sein zweiter Roman. Mit seinem Debüt „Grenzgang“ stand er 2009 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Nichts Weißes (Ulf Erdmann Ziegler)
Marleen träumt schon als Kind von der perfekten Schrift. Ihren Traum macht sie in den 1980er Jahren zum Beruf, doch die Entwicklung von Computern und der Einzug von Technik in die Arbeitswelt ändern ihre Aussichten auf beruflichen Erfolg.
Ulf Erdmann Ziegler wurde 1959 in Neumünster geboren. Er wurde 2008 mit dem Friedrich-Hebbel-Preis ausgezeichnet. [Zur Rezension…]
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