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Man Booker Prize 2012 – Die Shortlist

von Yvonne

Sieben Wochen ist es her, dass ich hier im Blog die Longlist für den Man Booker Prize 2012 angekündigt habe, und heute ist aus der Long- eine Shortlist geworden. Gegen Mittag gab die Jury die sechs Romane bekannt, die jetzt noch eine Chance darauf haben, den diesjährigen Man Booker Prize am 16. Oktober zu gewinnen. Wie vor sieben Wochen tippe ich nach wie vor auf Hilary Mantels „Bring up the Bodies“. Offensichtlich nicht nur ich. Da man auf den Gewinner des Man Booker Prize wetten kann, sind die Gewinnquoten ein erster Indikator für den möglichen Ausgang der Preisverleihung. Und für Mantels historischen Roman stehen die Quoten am besten – dicht gefolgt von Will Selfs „Umbrella“. Schade finde ich, dass „The Teleportation Accident“ von Ned Beauman nicht mehr im Rennen ist, aber bei der großen Anzahl an guten Büchern war die Auswahl auch tatsächlich schwierig.

 

Shortlist des Man Booker Prize 2012

 

The Garden of Evening Mists (Tan Twan Eng)

Ein (klassischer) japanischer Garten ist nicht zu vergleichen mit den Gärten, die wir in Europa kennen. Hier geht es nicht darum, sich kreativ zu entfalten, spielerische Elemente umzusetzen oder Tiere zu beherbergen. Stattdessen ist es wichtig, sich an ganz bestimmte Regeln zu halten, wenn man den Garten anlegt – und wie vieles in Japan ist auch dieses Anlegen des Gartens mit sehr viel Tradition verbunden und muss mühsam erlernt werden. Doch gerade diese Regeln und das mühsame Erlernen sind manchmal das, was man braucht, um ein Trauma zu verarbeiten, sich mit den Menschen zu versöhnen und wieder zu sich selbst zu finden.

Yun Ling Teoh, die in British Malaya in einem Kriegslager der japanischen Besatzer gefangen gehalten wurde und nach ihrer Befreiung Jura  in Cambridge studiert hat und zu einer sehr erfolgreichen Richterin wurde, kehrt an den Ort ihres Leidens zurück, nachdem sie die Diagnose erhalten hat, bald ihr Gedächtnis zu verlieren. Ausgerechnet der Japaner Aritomo half ihr, ihr Leiden zu verarbeiten, indem er ihr die Kunst des japanischen Gartens beibrachte. Nun will Yun Ling Teoh, so lange sie sich noch erinnert, den Garten ihres alten Meisters, der seit langem gestorben ist, wieder herrichten.

 

Swimming Home (Deborah Levy)

Der Dichter Joe und seine Frau, Kriegsreporterin Isabel, verbringen ihren Urlaub gemeinsam mit ihrer 14jährigen Tochter und einem befreundeten Ehepaar an der französischen Riviera in einer Ferien-Villa. Eines Tages finden sie Kitty Finch in ihrem Swimming-Pool und die Urlauber laden sie ein, ebenfalls in der Villa zu bleiben. Kitty ist Witwe, begeistert von Joes Gedichten und hat außerdem die Angewohnheit, nackt durch das Ferienhaus zu laufen. Und sie schreibt auch selbst und hat Joe ihr Gedicht „Swimming Home“ mitgebracht, damit er es lesen kann.

Joe und Isabel, die ohnehin Eheprobleme haben, werden durch Kittys Anwesenheit weiter aufgefühlt. Außerdem werden beide mit ihrer Geschichte konfrontiert: Kitty leidet an Depressionen, ebenso wie Joe; und auch Isabels Beruf hat Auswirkungen auf ihre Psyche. Und so sehen sich die Touristen gezwungen, ihren Urlaub damit zu verbringen, sich ihren seelischen Problem zu stellen.

 

Bring up the Bodies (Hilary Mantel)

Schon „Wölfe“ (Wolf Hall) befasste sich mit der Zeit der Tudors und mit Thomas Cromwell, der rechten Hand des Königs. Seine Aufgabe ist es, die Angelegenheiten von Heinrich VIII. zu „erledigen“ – was meist darin besteht, unliebsame oder unliebsam gewordene Personen aus des Königs Weg zu räumen.

„Bring up the Bodies“ knüpft nahtlos an seinen Vorgänger an. Heinrich VIII. lernt Jane Seymour kennen und fühlt sich in seiner aktuellen Ehe plötzlich nicht mehr so wohl wie vorher. Wieder muss Thomas Cromwell eingreifen, um dem König eine weitere Heirat zu ermöglichen.

Wie „Wölfe“ auch ist „Bring up the Bodies“ im Präsens und aus der Sicht von Thomas Cromwell geschrieben, was dem historischen Roman zusätzliche Authentizität verleiht.

 

The Lighthouse (Alison Moore)

Futh steht auf einer Fähre und ist unterwegs zu einem Arbeitsaufenthalt am Rhein. Während der Fahrt denkt er an eine andere Überfahrt auf einer anderen Fähre. Damals war er mit seinem Vater unterwegs, kurz nachdem Fuths Mutter die beiden verlassen hatte. Seine Erinnerung bringt den Mann in die Zeit mit seinem Vater, seiner neuen Partnerin und auch zurück zu seiner eigenen missglückten Ehe mit Angela, die auch noch den gleichen Namen wie Fuths Mutter trägt.

Gleichzeitig begleitet man Futh auf seinen Wegen in einem etwas unheimlichen „HellHaus“ genannten Bed & Breakfast, dessen Besitzer er zutiefst beleidigt und gegen sich aufbringt, ohne es selbst zu merken und ohne sich bewusst zu sein, dass er sich dadurch in Gefahr begibt.

 

Umbrella (Will Self)

Ein bisschen erinnert der Plot von „Umbrella“ an „Zeit des Erwachens“: 1971 beginnt der Psychiater Zach Busner, etliche seiner Patienten mit einem neuen Medikament zu behandeln, um sie aus ihrem katatonischen Zustand zu holen. Die Therapie funktioniert, unter anderem auch bei Audrey Dearth, die seit fünfzig Jahren in der Psychiatrie gelebt hat.

Bevor sie dorthin gelangte, war sie während des 1. Weltkriegs in der Waffenindustrie tätig, während ihre beiden Brüder im Krieg kämpften.

Und auch Busner trifft man als alten Mann wieder – während er Bilanz zieht über sein Leben und über die Behandlungen, die er in den 1970ern in der Psychiatrie vorgenommen hat.

 

Narcopolis (Jeet Thayil)

In Rashid’s Opium House im Mumbai der 1970er Jahre treffen sich die verschiedensten Menschen, die ihre Sucht nach Opium eint. Außer dem Besitzer Rashid arbeitet auch Dimple hier, der die Opium-Pfeifen vorbereitet. Vor allem westliche Hippies mögen das Lebensgefühl und den Charme, den Rashid und Dimple verbreiten.

Doch für die beiden fängt eine neue Zeit an, als in den 1990ern Heroin in Indien Einzug hält und die Stammkundschaft zu dieser  viel „erfolgsversprechenderen“ Droge wechseln. Sowohl für die Stadt als auch für Rashids und Dimples Mikrokosmos ist diese Veränderung der Anfang vom Weg nach unten, den Jeet Thayil in seinem Debütroman schildert.

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