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Ruhm (Daniel Kehlmann)

von Yvonne
Ruhm

Cover „Ruhm“

Nach Daniel Kehlmanns Erfolg mit „Die Vermessung der Welt“ lässt der Titel „Ruhm – ein Roman in neun Geschichten“ seines 2009 erschienen Romans ahnen, dass es hier zumindest zum Teil selbstreferentiell zugeht. Und so ist auch tatsächlich eine der Hauptfiguren ein erfolgreicher und hochgelobter Schriftsteller, dessen Ähnlichkeit mit Kehlmann selbst sicher nicht ganz ungewollt ist.

 

Lose verbundene Kurzgeschichten

„Ruhm“ umfasst wie im Titel bereits angekündigt neun Geschichten, die – lose miteinander verbunden – zusammen so etwas wie einen Roman ergeben, einen ohne Hauptfigur, gerade so, wie Leo Richter, der eingangs erwähnte Schriftsteller, einen schreiben möchte. Doch auch die anderen Geschichten handeln von Identität.

Ebling, der Protagonist der ersten Episode, erhält durch einen Fehler in der Nummernzuteilung Anrufe, die für den berühmten Schauspieler Ralf Tanner bestimmt sind, und kostet nach einigem Zögern das Spiel mit diesem anderen Leben voll aus. Ralf Tanner wiederum versucht sich in einer späteren Erzählung mehr schlecht als recht als sein eigener Imitator. Dieses Motiv – die Vorstellung bzw. der Wunsch, einmal ein anderes Leben auszuprobieren, zieht sich durch alle Geschichten. Was wäre, wenn ich nicht ich wäre, sondern jemand anderes? Am besten jemand, der ein besseres Leben führt als man selbst, eins mit Einfluss, Geld – und eben Ruhm.

 

Einmal das Leben eines anderen führen

Zwei Möglichkeiten, dies zu verwirklichen, zeigen die Kurzgeschichten: die Literatur, die Gedankenspiele aller Art erlaubt, und die modernen Kommunikationsmedien, hinter denen man die eigene Identität ganz gut verstecken kann. Während der Schriftsteller Leo Richter sich in einer seiner Geschichten aus seinem durch Sicherheitsdenken geprägten Alltag schreibt und in einer anderen zum Gott einer seiner Figuren wird, was er dazu nutzt, ihr das Leben zu retten, erlaubt das Verschwinden hinter Handy und E-Mail-Adresse einem midlife-crisis-geplagten Abteilungsleiter den zumindest zeitweiligen Aufbau eines Doppellebens.

Die Zusammenhänge zwischen den Geschichten sind teils sehr vage, teils konstruiert, meist jedoch völlig unerheblich für den Fortgang des Buches, da die Episoden auch für sich bestehen könnten. Ein wirklicher Roman ergibt sich nicht, und die Tatsache, dass die Erzählungen miteinander verbunden sind, gibt ihnen keine zusätzliche Bedeutung. Manches ist sehr glatt und wenig überraschend. Ein Roman aus Kurzgeschichten, noch dazu einer ohne Hauptfigur, ist hier nicht entstanden; stattdessen erhält man eine klassische Kurzgeschichtensammlung, deren einzelne Erzählungen im gleichen Geschichten-Universum spielen. Dennoch ist das – recht kurze – Buch lesenswert und unterhaltsam, und die besonders schöne Geschichte über das Altern und das Sterben tröstet über die ein oder andere Oberflächlichkeit hinweg.

Infos zum Buch

Ruhm
Daniel Kehlmann
208 Seiten
Erstausgabe 2010

 

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