Robert Neville ist der letzte Mensch auf Erden, und er benimmt sich so wie alle anderen vor ihm. Sein Haus hat er sich zur Festung ausgebaut, ein eigener Generator sorgt für Strom, damit er abends seinen Whisky (oder zwei oder drei) zu klassischer Musik trinken kann, und wenn er etwas braucht, dann nimmt er es sich. Die Arbeit, die sein Leben mit sich bringt, verabscheut er, aber sie muss getan werden, und nur er kommt dafür in Frage – andere Menschen gibt es ja nicht mehr. Und zu tun hat er mehr als genug. Denn zwar ist Neville der letzte Mensch auf Erden, aber allein ist er trotzdem nicht. Der Grund, dass er der letzte seiner Art ist, ist eine rätselhafte Seuche, die jeden außer ihn mit einer Sonnenlicht- und Knoblauchallergie, besonderen Gelüsten nach Blut sowie zwei spitzen Fangzähnen ausgestattet hat.
Zwei Arten von Vampiren gibt es, die Neville das Leben schwer machen: Die ersten sind zwar infiziert, aber noch nicht an ihrer Vampir-Krankheit gestorben. Das ist jedoch nur eine Frage der Zeit, und sterben sie, so bleiben sie auf keinen Fall lange tot. Egal ob tot oder lebendig, jede Nacht kreuzt zuverlässig mit Einsetzen der Dunkelheit eine wechselnde Gruppe von Vampiren unter der Führung des ehemaligen Nachbarn und Beinahe-Freunds Ben Cortman vor Nevilles Haus auf, um diesen zu rufen und damit in den Wahnsinn zu treiben. Dabei macht es Neville besonders zu schaffen, dass die Tatsache, der letzte Mensch der Welt zu sein, jegliche Hoffnung darauf, noch mal mit einer Frau zusammenzukommen, im Keim erstickt. Die Vampire nutzen das aus, schicken ihre Frauen vor, die sich in aufreizenden Posen vor Nevilles Fenstern positionieren, um ihn herauszulocken. Da sie damit nicht besonders erfolgreich sind, vandalieren sie stattdessen, und Neville kann jeden Tag aufs Neue Reparaturen an seinem Haus durchführen. In seiner „freien“ Zeit fährt er durch die nähere Umgebung und sorgt mit Hilfe einer Menge hölzerner Pfähle dafür, dass die Toten, die den Tag in einer Art Koma verbringen, abends nicht wieder aufstehen. Nur Ben Cortman kann er nie finden. Davon und von all den anderen Schrecklichkeiten, denen er tagsüber ausgesetzt ist, nimmt Neville abends trinkend Abstand.
Vampir-Seuche statt Mythos
Vom Trinken, den Gedanken an Frauen und dem Versinken in Nostalgie und Trauer um seine Frau und seine Tochter weg bringt ihn erst seine Neugier: Da Neville nicht bereit ist, an irgendeinen Mythos zu glauben, will er dem Vampir-Phänomen wissenschaftlich auf den Grund gehen. Zunächst führt er Experimente mit toten Vampiren durch, injiziert ihnen beispielsweise Knoblauch-Essenz, um festzustellen, wie sie darauf reagieren. Doch seine Tests bringen ihn nicht wirklich weiter. Er vermutet, dass das Blut der Vampire eine Erklärung bereithält. Also bringt er sich alles, was er wissen muss, selbst bei, besucht Bibliotheken, liest Fachbücher und schafft sich ein Mikroskop an. Tatsächlich sind seine Bemühungen von Erfolg gekrönt: Neville findet eine logische, wissenschaftliche Erklärung für die Verwandlung der Menschen in Vampire, eine Krankheit, die auf Bakterien beruht. Doch in der Zwischenzeit sind auch die Vampire nicht untätig, und Neville erkennt plötzlich, dass er als letzter lebender Mensch nicht mehr der Normalfall, sondern der auf die Masse bedrohlich wirkende Außenseiter ist – er, der tagsüber wehrlose Vampire im Schlaf tötet oder sie entführt, um mit ihnen Experimente durchzuführen.
Ich bin Legende: Ungewöhnlicher und einflussreicher Science Fiction-Roman
„Ich bin Legende“ nimmt in vielerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Perspektive ein. Zunächst ist da die Hauptfigur Neville, die sich durch den Tag schleppt und durch den Abend trinkt, zwar tut, was nötig ist, aber auf keinen Fall mehr. Kein Held im eigentlichen Sinne ist der, der da überlebt hat, sondern eine Laune der Natur, die ihn als einzigen gegen eine weltweite Seuche immun gemacht hat. Die Seuche selbst ist ebenfalls außergewöhnlich, denn anders als in anderen Vampirgeschichten wird hier eine wissenschaftliche Ursache für ein in der sonstigen Literatur mystisches Phänomen gewählt. Die Erklärungen, die Neville für die Krankheit findet, hören sich auch absolut logisch an. Vor allem in Zombie-Büchern und -Filmen wurden ähnliche Aspekte aufgenommen. In „28 Days Later“ (Danny Boyle) beispielsweise löst ein im Labor herangezüchteter Virus eine Zombie-Epidemie aus. Darüber hinaus zeigt „Ich bin Legende“ sehr deutlich, dass Normalität eine Frage der Mehrheit ist. Während Neville anfangs ganz klar wie der einzige „normale“ Mensch wirkt, scheint er sehr bald ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten zu sein – was ihm zum Schluss auch selbst einleuchtet. Der Titel „Ich bin Legende“ hat am Ende dann auch nichts Heroisches, nichts Selbstherrliches, sondern eher melancholisch-nostalgische Züge.
Insgesamt vier Mal wurde „Ich bin Legende“ verfilmt. Die erste Verfilmung unter dem Titel „The Last Man on Earth“ wurde 1964 mit Vincent Price in der Hauptrolle gedreht. In „Der Omega-Mann“ von 1971 spielte Charlton Heston die Hauptrolle. In dieser Verfilmung wird schnell deutlich, dass die Vampire sich als die neue Generation Herrscher begreifen und ihre eigenen Werte als Fortschritt gegenüber denen der aussterbenden Menschheit. 2007 kam die wohl aktuell bekannteste Verfilmung „I Am Legend“ mit Will Smith in die Kinos. Zeitgleich wurde mit „I Am Omega“ ein Remake von „Der Omega-Mann“ produziert.
Auf Grund der vielen Verfilmungen ist „Ich bin Legende“ der bekannteste Roman von Richard Matheson. Darüber hinaus hat der im vergangenen Monat verstorbene Autor jedoch zahlreiche weitere Romane, Kurzgeschichten und Drehbücher verfasst. Unter anderem schrieb er etliche Vorlagen für die US-Serie „Twilight Zone“. Das Drehbuch zu Steven Spielbergs Debütfilm „Duell“, in dem ein Autofahrer von einem LKW-Fahrer verfolgt wird, stammt ebenfalls von ihm. Mit seinen Veröffentlichungen prägte Matheson das Genre und beeinflusste zahlreiche weitere Autoren wie Stephen King und Anne Rice.