Naccos, ein Dorf in den peruanischen Anden und Schauplatz des Romans „Tod in den Anden“, hat schon bessere Zeiten gesehen. Arbeit gibt es hier nur für Hilfsarbeiter beim Straßenbau, und seit langem haben die meisten das Weite gesucht. Abends trifft man sich zum Schnaps in der Dorfkneipe beim Wirt Dionisios und seiner Frau Doña Ariana und hat Angst vor der nächsten Naturkatastrophe, dem Stopp des Baus der Straße und den brutalen Übergriffen durch revolutionäre Jugendliche, die die Gegend unsicher machen und auch vor unbeteiligten Touristen keinen Halt machen.
Mysteriöses Verschwinden aus dem Anden-Dorf
Doch all diese Ängste und Probleme sind noch nicht genug, denn plötzlich verschwinden nacheinander drei Bewohner des Dorfs spurlos. Korporal Lituma und sein Amtshelfer Tomás Carreño, beide nach Naccos strafversetzt, sollen die Wahrheit herausfinden. Unterstützung erhalten sie zunächst keine. Die Bevölkerung steht den beiden misstrauisch gegenüber, vor allem Lituma, der aus der Küstenregion Perus stammt und für die Dorfbewohner genau so gut aus Europa kommen könnte. Dass man diesem Fremden hilft, dorfinterne Gelegenheiten zu regeln, steht in keinster Weise zur Diskussion. Und so richtig schlimm ist es auch gar nicht, dass diese drei Personen verschwunden sind – schließlich handelt es sich bei allen um Außenseiter, die im Dorf nicht wirklich vermisst werden.
Gewalt und Aberglauben
Zwischen dem Aberglauben der Andenbevölkerung und den terroristischen Überfällen durch jugendliche Revolutionäre finden die Ermittler erste Spuren, und auch Dionisios und seine Frau geben vereinzelte Hinweise, die Lituma schließlich die ganze Wahrheit entdecken lassen, die er am Ende doch lieber nicht gewusst hätte. Zwischen terroristischer Gewalt, erzwungenem Fortschritt und altem Aberglauben spielt sich „Tod in den Anden“ ab, und die Erklärung, die Lituma findet, behält er lieber für sich, weil er davon ausgeht, dass ihm ohnehin niemand glauben würde.
Als zweite, weniger brutale, dafür mit ähnlich deutlicher Sprache geschriebenne Handlung, erfährt man in dennächtlichen Erzählungen des Amtshelfers Carreño an seinen Vorgesetzten dessen Liebesgeschichte mit Mercedes, die letztlich dazu geführt hat, dass es den Amtshelfer in die Anden verschlagen hat.
„Tod in den Anden“ ist eine Art Kriminalroman vom Literatur-Nobelpreisträger 2010, das trotz seiner oft sehr deutlichen Sprache und Brutalität (wie es häufig bei südamerikanischer Literatur der Fall ist) ein echter Page-Turner ist, den man regelrecht verschlingt, bis man, genau wie der Korporal, zum Schluss doch lieber auf die Wahrheit verzichtet hätte.
„Tod in den Anden“ ist der dritte Lituma-Roman.
Infos zum Buch
Tod in den Anden (Lituma en los Andes)
Mario Vargas Llosa
384 Seiten
Erstausgabe 1993
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