Das Leben – und seine Eltern – hatten für William Stoner eigentlich eine ganz andere Laufbahn vorgesehen: Als Sohn eines Bauernpaares gibt es Anfang des 20. Jahrhunderts kaum die Möglichkeit, einen anderen Beruf zu ergreifen als den der Eltern. Doch da Stoner ein Einzelkind und sein Vater einigermaßen vorausschauend ist, ermöglicht er es dem Sohn 1910, an die Universität in Missouri zu gehen, um dort Agrarwissenschaft zu studieren. Doch in einem Pflichtseminar zur englischen Literatur erlebt Stoner eine Offenbarung: Er spürt, dass die Worte eines Gedichts, das ihm sein Dozent Sloane vorgestellt hat, Bedeutung besitzen, die über den reinen Text hinausgehen, und mit einem Mal ist Stoner klar, dass er für den Rest seines Lebens mit Sprache zu tun haben will.
Ohne das Wissen seiner Eltern wechselt er das Studienfach, widmet sich fortan der Literatur und erhält kurz vor seinem Abschluss von Sloane das Angebot, an der Universität zu bleiben, dort zu promovieren und zu lehren. Trotz des schlechten Gewissens seinen Eltern gegenüber, die nun sehen müssen, wie sie mit dem landwirtschaftlichen Betrieb zurecht kommen, gönnt Stoner sich diesen Wechsel im Lebenslauf, findet sogar zwei Freunde und verliebt sich in Edith, die junge Nichte des Dekans der Universität. Doch zwei Weltkriege, die gesellschaftlichen Moralvorstellungen seiner Zeit, skrupellose Kollegen und das gewandelte Wesen seiner Frau machen es Stoner immer wieder schwer, sein Glück zu finden und zu erhalten.
Wunderbarer Roman über die ganz gr0ßen Themen
Der eigenwillige Literaturprofessor William Stoner, der immer genau zu wissen scheint, was er tun muss und sich seiner Familie und seiner Leidenschaft gleichermaßen verpflichtet fühlt, ist eine Romanfigur, wie man sie nur selten trifft und der man sich so verbunden fühlt, dass man sich schwer tut, sie am Ende der Geschichte aus dem eigenen Leben zu entlassen. Das ganze Leben Stoners scheint vorherbestimmt, nicht von anderen, sondern aus ihm selbst heraus, und selbst die Tatsache, dass ihm manches im Leben leichter fallen würde, wenn er gegen seine Prinzipien verstoßen würde, ändert nichts daran, dass er seinen Weg geht wie er ihn gehen zu müssen glaubt.
Der Roman Stoner erschien ursprünglich 1965 in den USA, wurde jedoch nur 2.000 Mal verkauft. Obwohl sich immer wieder Literaturkritiker und -wissenschaftler äußerst positiv über das Buch äußerten, dauerte es bis zum Jahr 2003, dass Stoner durch Wiederveröffentlichung in den USA einem breiteren Publikum zugänglich wurde. Fast umgehend verkaufte der Roman sich hunderttausendfach, wurde in etliche Sprachen übersetzt und schließlich auch in Deutschland bekannt und beliebt.
Dass Stoner mittlerweile weltweiter Bestseller ist, liegt zum einen an der bewunderns- und bedauernswerten Hauptfigur, zum anderen an der wunderschönen Sprache, in der Stoner verfasst ist und die der großen Liebe William Stoners damit gleichermaßen ein Denkmal setzt. Die besondere Stärke des Romans liegt darin, dass er einen ein vollständiges Leben nachempfinden lässt. Die große Frage, wie in diesem Leben Glück zu erlangen sei, stellt sich dem Leser dabei eher als dem Literaturprofessor, um dessen Leben es hier geht. Denn für Stoner sind die beiden Begriffe irgendwann synonym: Leben bedeutet Glück und umgekehrt, auch wenn sich Glück im Moment des Erlebens nicht immer wie solches anfühlt. Aus sehr persönlicher Sicht befasst sich Stoner mit den ganz großen Themen der Menschheit: Liebe, Krieg, Sterblichkeit, Leidenschaft und das Suchen nach dem Sinn, den das Ganze für einen selbst ergibt.
Stoner ist ein Roman für alle, die die Liebe zur Sprache und zur Literatur selbst empfinden und die einen Hang zu melancholischen Geschichten haben.