Meine Beziehung zum Vegetarismus war mein ganzes Erwachsenenleben lang wechselhaft. Mit 18 war ich Vegetarierin, weil ich kein Fleisch mochte, mit 20 aus Überzeugung, mit Mitte 20 aß ich zumindest wieder Geflügel, weil es so viel einfacher war.
Zwischendurch aß ich, was man mir anbot, wenn ich die Wahl hatte, aber lieber fleischlos. Vor einigen Jahren dann konnte ich mir selbst die Frage, warum ich dann nicht gleich konsequent bin, nicht beantworten, und habe mich entschieden, wieder komplett vegetarisch zu leben. Mittlerweile bin ich Veganerin.
Dieses Mal habe ich mir mehr Gedanken über das Warum gemacht, und die Antwort auf diese Frage fiel mir deutlich leichter: Ich mag Tiere. Ich will sie nicht essen. Also tue ich es nicht.
Im Jahr 2016 in Köln ist es deutlich normaler, Vegetarierin zu sein, als 1995 in der Eifel, und die Anzahl an Vegetariern in meinem Umfeld hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Viele davon erzählten, dass eins von zwei Büchern sie zum Vegetarismus gebracht hat: Anständig essen von Karen Duve oder eben Tiere essen von Jonathan Safran Foer. Ich hatte auch immer vor, die beiden Bücher zu lesen, und beim zweiten habe ich es in diesem Jahr nachgeholt.
Zahllose Gründe, warum man keine Tiere essen sollte
Jonathan Safran Foer hat sich – wie viele seiner Generation im letzten Jahrzehnt – aus persönlichen Gründen mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt. Sein Anlass war die Geburt seines Sohns und die damit verbundene Frage, welche Werte seine Frau und er seinem Kind beibringen wollten. Um dies richtig beurteilen zu können, stellte Foer umfangreiche Recherchen zum Thema Tiere essen an – und teilt sie in seinem Buch.
Anders, als man das bei diesem Thema vielleicht erwartet, findet man bei Foer niemals einen erhobenen Zeigefinger oder anklagende Moralpredigten. Wie wir fast alle ist er in einer Welt aufgewachsen, in der es normal ist, Tiere zu essen, und in der der Zusammenhang zwischen Herkunft und Verwendung von Nahrung durch industrielle Herstellung verschleiert und außerhalb des eigenen Blickfelds gerückt wird.
Und genau dies korrigiert Foer in seinem Buch: Er wendet den Blick nicht ab, sondern schaut genau hin. Auf Massentierhaltung und das damit verbundene Leid, auf gesundheitliche Schäden durch Konsum von (schlechtem) Fleisch, auf ökologische Folgen industrialisierter Tieraufzucht. Dass die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterworfen sind und der Umgang mit den Tieren traumatisierende Auswirkungen hat, vergisst er ebenfalls nicht. Und natürlich heißt sein Buch nicht „Vegetarisch leben“ oder „Fragen zur modernen Ernährung“, sondern „Tiere essen“, denn genau darum geht es. Gerade diese Klarheit, diese absolute Ehrlichkeit, das Dinge-beim-Namen-nennen sind es, die Foers Buch so wichtig machen für eine Zeit, in der Fragen zur Ernährung des Menschen die Zukunft des Planeten beeinflussen werden.
Etliche Studienergebnisse trägt Foer zusammen, führt Interviews mit Schlachthof-Betreibern und Tierschützern und steigt sogar einmal selbst in einem Massentierhaltungsbetrieb ein, um sich die Bedingungen anzusehen. Dies macht Tiere essen zu einem absolut offenen, unvoreingenommenen und authentischen Bericht darüber, was die tägliche Entscheidung für oder gegen das Essen von Tieren für Auswirkungen hat – individueller und globaler Natur.
Wer sich dafür interessiert, was er isst (und das sollte jeder), wer Kontrolle darüber haben möchte, was er seinem Körper zuführt und welche externen Kosten sein Verhalten verursacht, sollte Tiere essen lesen. Ich denke nicht, dass dieses Buch einen unbedingt zum Vegetarier bekehrt, aber es erinnert einen daran, dass man individuell für das eigene Verhalten Verantwortung übernehmen muss, auch wenn die Konsequenzen daraus nur indirekt entstehen.