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Die ultimative Macht in Form eines Wiegenlieds

von Yvonne

Wie weit würde man gehen, wenn man die Macht über Leben und Tod hätte? Würde man auf diese Macht verzichten? Sie „weise“ einsetzen, um eine bessere Welt zu schaffen? Oder würde man sie aufs Geratewohl je nach Stimmung be- und ausnutzen, zum eigenen Vorteil und zur eigenen Befriedigung? Diesen Fragen geht Chuck Palahniuk in Lullaby nach, dem ersten Teil seiner Horror-Trilogie (Band 2: Das letzte Protokoll, Band 3: Die Kolonie).

Ein ganz besonderes Wiegenlied

Ein Schlaflied (daher der Titel Lullaby) in einem Kinderbuch hat andere Auswirkungen als die vorlesenden Eltern erwartet haben. Jeder, der dieses Gedicht hört, stirbt. Offensichtlich ist das Lied aus Versehen aus einem Buch mit Zauberformeln kopiert worden und so in Umlauf gekommen.

Der Journalist Carl Streator, der – auch aus persönlichem Interesse – Fälle von plötzlichem Kindstod für eine Artikelreihe untersucht, stößt bei seinen Recherchen immer wieder auf ein bestimmtest Wiegenlied in einer Sammlung internationaler Kindergedichte. Das Buch, das er aufgeschlagen in vielen Kinderzimmern findet, ist ihm selbst nicht unbekannt. Er hatte seiner Frau und seinem Sohn daraus vorgelesen, bevor er sie am nächsten Morgen beide tot im Bett auffand. Nach einem ersten Experiment mit seinem ziemlich unsympathischen Redakteur ist Streator sicher: er hat eine Art Zauberspruch gefunden, mit der man Menschen schnell und unkompliziert in einen dauerhaften Tiefschlaf versetzt.

Doch Streator ist nicht der einzige, der die Formel kennt. Seine Nachforschungen bringen ihn mit Helen Hoover Boyle zusammen. Die Maklerin, die sich auf Verkauf und Wiederverkauf von Spukhäusern spezialisiert hat, kennt die Wirkung des „Lullaby“ ebenfalls. Und nutzt sie auch. Da sie schon länger im Besitz dieses Wissens ist, nutzt sie das Gedicht nur selten und in (natürlich selbst definierten) „Notfällen“. Streator ist da noch nicht so wählerisch, und ein Streifzug durch die Stadt lässt einige Todesopfer zurück. Doch er kommt zur Vernunft und gebietet sich selbst Einhalt. Nachdem seiner Wut wahllos Menschen zum Opfer gefallen sind, beschließen Boyle und er, sämtliche Kopien des Buchs zu finden und zu zerstören. Sie hoffen, dass sie außerdem das Originalbuch finden, aus dem das Schlaflied stammt, um auch dies zu vernichten – und um eventuell weitere Zauberformeln zu finden.

Schräges Buch mit interessanten Fragestellungen

Palahniuk kenne ich – natürlich – durch seinen Bestseller-Roman Fight Club, der auch sehr erfolgreich mit Brad Pitt und Edward Norton verfilmt wurde. Ich habe seitdem einige Bücher von Chuck Palahniuk gelesen, weil ich seinen rasanten Erzählstil mag und den gesellschaftskritischen Unterton, den all seine Bücher haben. Auch in Lullaby ist Palahniuks Menschenbild eher realistisch bis pessimistisch. Jeder, der in dem Buch den machtvollsten denkbaren Zauberspruch in die Hände bekommt, nutzt ihn über kurz oder lang auch. Die Frage, die mich nach dem Lesen am meisten beschäftigte, war die, wer von sich behaupten kann, dass er dies nie tun würde.

Die fantastischen Elemente, die den Rahmen für die Geschichte bieten, halten sich im Rahmen und dienen eher der Geschichte als umgekehrt. Sehr witzig fand ich beispielsweise den Einfall, eine Maklerin für Spukhäuser einzuführen, die die Not zur (wirtschaftlichen) Tugend macht und an jedem Verkauf und Rückkauf eine Menge Geld verdient, indem sie den ultimativen und nicht nachweisbaren Mangel verheimlicht.

Mein Fazit

Absolut lesenswert und unterhaltsam, für Freunde von spannender und leicht skurriler Unterhaltung.

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