Deutschland in den 1930ern. Alle haben Sex außer Egon Loeser. Schlimmer: Alle haben Sex mit der Traumfrau von Egon Loeser: Adele Hitler, die mit ihrem Namensvetter nichts teilt außer gut 70% ihres Namens. Dabei war es Egon Loeser, der Adele schon kannte, als sie noch Nachhilfe-Stunden von ihm brauchte und ein ziemlich uninteressanter und fast lästiger Teenager war. Doch seit er sie wiedergetroffen und sie sich vom langweiligen Entlein zum ziemlich scharfen Schwan entwickelt hat, kann er an fast nichts anderes mehr denken.Aber eben nur fast. Denn Egon Loeser hat nicht nur eine sexuelle, sondern auch eine berufliche Obsession: Als Bühnenbildner hat er die Vision, die Schauspieler blitzschnell von einem Ort auf der Bühne an einen anderen zu bringen, sie also quasi zu teleportieren, um Bühnenbilder schneller wechseln zu können, was seiner Meinung nach dem Theater eine kopernikanische Wende bringen würde. Ein anderer Bühnenbildner hat das schon einmal versucht – und so gut wie geschafft: Lavicini, das große Vorbild von Egon Loeser. Leider ging gleich beim zweiten Einsatz von Lavicinis „Teleportationsvorrichtung“ einiges schief: fast alle Schauspieler kamen um, und Augenzeugen berichteten teilweise sogar von einem Monster, das sich aus den Flammen erhob. Die Folge war natürlich, dass die Idee, Schauspieler auf der Bühne zu „teleportieren“ erst mal zu den Akten gelegt wurde. Aber Egon Loeser ist seiner eigenen Meinung nach ganz kurz vorm Durchbruch, und der perfekte Einsatz für seine eigene Super-Maschine wäre natürlich ein von ihm selbst geschriebenes Theaterstück über Lavicinis „Teleportationsunfall“.
Doch auch beruflich läuft es nicht so, wie er sich das vorstellt. Bertolt Brecht – seine persönliche Nemesis – ist der Star bei den Intellektuellen, ihn selbst kennt keiner, und Egon Loesers „erstaunlicher Mechanismus“ verursacht seiner Versuchsperson erst mal nur Schmerzen.
Odyssee auf der Spur von Adele
Während ihn das politische Geschehen um ihn herum nicht sonderlich interessiert, hält Egon Loeser sich über den Aufenthaltsort von Adele stets auf dem Laufenden. Und folgt ihr über Paris nach Los Angeles, immer in der Hoffnung, dass sie endlich, endlich mit ihm schläft. Doch stattdessen macht er die Bekannschaft einiger ziemlich skurriler Personen, seine Lavicini-Idee wird gestohlen und in einem Roman verarbeitet (und natürlich hat auch der Ideen-Dieb Sex mit Adele) und eine Teleportationsmaschine, an der ein Physik-Professor arbeitet, scheint wirklich zu funktionieren. Oder sind hier doch etwa Poltergeister am Werk?
„Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort“ erzählt mit unglaublichem Tempo die Geschichte des Losers Loeser, der sich für sein Leben zwei für ihn unerreichbare Ziele ausgesucht hat und den dennoch nichts anderes zu interessieren scheint. Ned Beauman schreibt witzig, voller Wendungen und immer auf hohem Niveau unterhaltsam.
Auch wenn der deutsche Titel „Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort“ im Vergleich zum englischen Original „The Teleportation Accident“ ein wenig sperrig ist, passt er doch perfekt zur Hauptfigur Egon Loeser, der auch ein wenig braucht, bis er zum Punkt kommt. Für alle, die gerne Hintergrundwissen zu ihrer Lektüre recherchieren, ist Ned Beaumans Webseite zu empfehlen. Dort hat er für seinen Roman einen Reader’s Guide zusammengestellt, der Informationen zu historischen Personen, ein paar witzige Fakten sowie weitere interessante Bücher, die ihn beim Schreiben des Romans beeinflusst haben, auflistet.
„Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort“ stand 2012 auf der Longlist zum Man Booker Prize und erscheint am 11. März 2013 erstmals auf Deutsch.
Infos zum Buch
Egon Loesers erstaunlicher
Mechanismus zur beinahe
augenblicklichen Beförderung
eines Menschen von Ort zu Ort
(The Teleportation Accident)
Ned Beauman
450 Seiten
Erstausgabe 2013