Wohin geht man, wenn es keinen Ort mehr gibt, an den man gehen kann? Wo kann man in einer Welt überleben, die an sich schon untergegangen ist? Die Hauptfigur in Cormac McCarthys Roman „Die Straße“ hat diese Frage für sich geklärt: Dahin, wo Menschen seit jeher am besten zurecht gekommen sind, wo die besten Lebensbedingungen herrschten, wo Dörfer und Städte entstanden sind und von wo aus man die Welt erobern konnte. Ans Wasser.
Unterwegs in einer post-apokalyptischen Welt
Dass sich solche Fragen überhaupt stellen, hat seine Ursache in einer Katastrophe, die nicht näher erklärt wird, die aber unvorstellbare Ausmaße hatte und die Welt an den Rand ihrer Vernichtung gebracht hat. Nur wenige Menschen haben das Ereignis überstanden, und deren Überlebenskampf ist noch nicht vorbei.
In dieser unwirtlichen, grauen, nahezu unbewohnbaren – kurz post-apokalyptischen Welt – will der Protagonist aus „Die Straße“ nur eins: Seinen Sohn schützen. Und so zieht er mit ihm durch ein verlassenes Amerika, nach Süden, in Richtung Küste. Zumindest fast verlassen ist der Kontinent. Hin und wieder treffen Vater und Sohn doch auf andere Menschen, auch wenn sie alles daran setzen, das zu vermeiden. Da Pflanzen und Tiere dem Ende der Welt genau so zum Opfer gefallen sind wie die Menschen, gestaltet sich die Nahrungssuche schwierig bis unmöglich. Alle Supermärkte sind geplündert, Vorratsräume der Häuser längst geleert, die Natur hat sich noch nicht erholt – wenn man in einer solchen Situation auf eine Gruppe hungriger Menschen trifft, sind Kämpfe um die letzten Lebensmittel das Geringste, das man fürchten muss.
Vater und Sohn nach der Katastrophe
„Die Straße“ erzählt die Reise der beiden und vor allem die Sorgen des Vaters, der seinen Sohn in Sicherheit bringen will. In Rückblenden erfährt man ein wenig über die Mutter des Jungen. Viele Fragen bleiben am Ende offen, man weiß weder, was geschehen ist, noch, was passieren wird. Die Verfilmung „The Road“ mit Viggo Mortensen in der Hauptrolle gibt hier sogar noch mehr Diskussionsstoff, wie ich finde – und ist darüber hinaus genau so empfehlenswert wie das Buch.
Insgesamt ist „Die Straße“ ein sehr düsteres Buch, traurig, weil vieles wahrscheinlich genau so passieren würde, wie es im Buch beschrieben wird, teilweise verstörend – und doch ein Buch, das die Welt nicht als völlig hoffnungslos auffasst. Immerhin gibt es in all dem Leid und all der Not immer noch die Liebe eines Vaters zu einem Sohn, die so stark und dabei so einfach ist, dass nie die Frage besteht, was als nächstes zu tun ist. Und damit ist „Die Straße“ eins der Bücher, über die man auch nach dem Lesen noch viel nachdenkt und an die einen manchmal Kleinigkeiten ganz unverhofft wieder denken lassen.
Cormac McCarthy erhielt 2007 den Pulitzer-Preis für Romane für „Die Straße“.
Infos zum Buch
Die Straße (The Road)
Cormac McCarthy
256 Seiten
Erstausgabe 2006 (dt. 2007)
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