Dass Märchen nicht immer nur etwas für Kinderohren sind, weiß man ja längst. Die üblichen Varianten, die sich in den Märchen-Vorlese-Büchern finden, sind oft ohnehin bearbeitet, um sie verständlicher, weniger brutal und vor allem kompatibler zu machen. Und ursprünglich waren Märchen auch gar nicht ausschließlich als Kindergeschichten gedacht, sondern wurden in mündlicher Überlieferung von Generation zu Generation weitergegeben – bis die Brüder Grimm in ihren „Kinder- und Hausmärchen“ diese fantastischen Geschichten sammelten.
Im letzten Jahr jährte sich die erste Ausgabe dieser Märchensammlung zum 200. Mal, was Anlass genug für eine Omnipräsenz von allerhand märchenverbundener Themen war. Ebenfalls pünktlich zum 200. Geburtstag der Grimmschen Märchenausgabe erschien Karen Duves persönliche Hommage an diese besondere Textgattung, in der sie bekannte Märchen mal mehr, mal weniger abwandelt und „erwachsenengerecht“ ausschmückt. Da fängt beispielsweise „Schneewittchen“ statt mit „Es war einmal“ mit „Es war mal wieder“ an, und die gleichnamige Schönheit muss die Avancen eines besonders in sie verschossenen Zwergs abwehren, wobei sie selbst es natürlich auch faustdick hinter den Ohren hat.
Grrrimm’sche Märchen
Auch Dornröschen ist ein wenig – nun, ja – zickig und längst nicht mit jedem dahergelaufenen Prinzen zufrieden. Der Froschkönig ist bei Karen Duve in Wahrheit kein Prinz, sondern hat einen viel weltlicheren Beruf. Und schlafen darf er nicht bei einer Prinzessin, sondern bei der Tochter von DEM Gangsterboss schlechthin.
Das titelgebende Märchen „Grrrimm“ nimmt gut ein Drittel des recht dünnen Buchs in Anspruch und erfindet die Geschichte vom Rotkäppchen neu. Die rote Kappe ist dabei eher Stigma als Auszeichnung, denn alle anderen Jugendlichen tragen eine schwarze Kappe, während Rotkäppchen (die eigentlich Elsie heißt) die Kappe ihrer verwöhnten Schwester auftragen muss. In der Familie ist Rotkäppchen eher so etwas wie ein Aschenputtel, wird von den Geschwistern geärgert und von den Eltern ignoriert. Und wenn irgendjemand nachts durch den Wald zur Großmutter laufen muss, fällt die Wahl natürlich leicht. Aber immerhin ist Rotkäppchen nicht allein, sondern hat einen furchtlosen Begleiter an der Seite, der nicht nur auf ihre rote Kappe steht. Mit solch einem starken Partner an der Seite kann man sogar ziemlich gruseligen Wölfen gegenübertreten….
Nach „Die entführte Prinzessin“ ist „Grrrimm“ bereits der zweite Ausflug von Karen Duve in die Märchenwelt. Für Märchenfans und Freunde von Variationen bekannter Geschichten eine absolute Empfehlung, die man locker an einem Nachmittag „weglesen“ kann.
Infos zum Buch
Grrrimm
Karen Duve
160 Seiten
Erstausgabe 2012