In den 1920er Jahren machten sich etliche Japaner auf, in Kalifornien ihr Glück zu suchen. Arbeit gab es genug – als Obstbauern, Hausbedienstete oder Wanderarbeiter. Der erträumte Wohlstand blieb jedoch für die meisten aus; stattdessen blieb man ausgegrenzt, unter sich und am ganz unteren Ende der gesellschaftlichen Leiter. Doch schlechter noch angesehen als die Feldarbeiter waren ihre Frauen, die sie sich eigens ins Land importiert haben – denn auf diese wurde auch von ihren Männern herabgeblickt. Diese „Picture Brides“ wurden von sogenannten „Match Makern“ vor allem nach Kalifonien gebracht.
Aus Sicht dieser Frauen ist Julie Otsukas Roman „Wovon wir träumten“ geschrieben – und zwar nicht aus der Sicht einer einzelnen, sondern aller. Die Perspektive ist ein sehr ungewöhnliches „wir“, dass sich in den wenigen Kapiteln des Buchs stets von einem feindlich oder zumindest gegnerisch gesinnten „sie“ abgrenzt. Einen eigentlichen Plot, wie man das von anderen Romanen gewohnt ist, gibt es nicht – stattdessen wird eine Vielzahl an Einzelschicksalen gebündelt und über Gemeinsamkeiten und Unterschiede definiert und dargestellt.
„Wovon wir träumten“ beginnt auf dem Schiff, der Überfahrt der Japanerinnen, denen wohlhabende japanische Männer versprochen wurden, die es in Amerika zu etwas gebracht haben. Doch gleich bei der Ankunft ist klar, dass die Frauen betrogen wurden: Die Männer, die da stehen, um ihre neuen Frauen in Empfang zu nehmen, sind einfache Arbeiter, arm, und nicht einmal die Fotos, die die Heiratsvermittler zur Verfügung gestellt hatten, waren echt.
Doch so, wie man es zu Hause von den Müttern gelernt und vorgelebt bekommen hat, fügen sich die Frauen in ihr Schicksal. Dass das Zusammenleben mit den Ehemännern nicht mit der Freiheit zu verwechseln ist, die amerikanische Ehefrauen haben, wird schon in der ersten Nacht deutlich. Mantrahaft – ein Stil, der sich durch das gesamte Buch zieht – beschreibt Otsuka, wie den Frauen klar gemacht wird, wo ihr Platz ist.
Keine neue Heimat
Nur wenige Stationen umfasst das kurze Buch, und allen ist die Fremdbestimmung und Entfremdung der nach Amerika gelockten Japanerinnen gemeinsam. Selbst die eigenen Kinder werden mit der Zeit zu Fremden, die sich von ihrer japanischen Herkunft abwenden, um in Amerika, das nie wirklich ihre Heimat werden wird, zumindest ein bisschen Anerkennung zu finden.
Sumire nannte sich Violet. Shizuko war Sugar. Makoto war einfach Mac. Shigeharu Takagi schloss sich mit neun Jahren den Baptisten an und änderte seinen Namen in Paul.
Doch die größte Ausgrenzung findet nach dem Angriff auf Pearl Harbour statt. Die Japaner, die seit Jahrzehnten in Amerika leben, werden des Verrats beschuldigt, verschwinden plötzlich, werden verhört und in Internierungslager gebracht.
„Wovon wir träumten“ ist ein bedrückendes Buch, das eine sehr persönliche Einsicht in ein Stück Geschichte und in die Lebenswirklichkeit japanischer Einwanderinnen im frühen 20. Jahrhundert gibt. Die ungewöhnliche Perspektive stört in keinster Weise, sondern zieht einen sehr schnell in seinen Bann – man liest das Buch quasi in einem Rutsch durch.
„Wovon wir träumten“ wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem PEN/Faulkner Award for Fiction, dem Los Angeles Times Book Prize und dem National Book Award. Es ist nach „When the emperor was divine“ Julie Otsukas zweiter Roman.
Infos zum Buch
Wovon wir träumten
(The Buddha in the Attic)
Julie Otsuka
160 Seiten
Erstausgabe 2012
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