Ich kann doch auch nichts für den Titel. Oder das Cover. Oder die unglaublich dämliche Titel-Unterschrift. Aber: Ich habe mich entschieden, dieses Buch trotz des etwas martialischen Titels „Operation Zombie“ zu lesen, zu empfehlen und sogar seinen Realismus lobend zu erwähnen. Später. Und dafür gibt es gute Gründe.
Schon die Struktur von „Operation Zombie“ ist etwas Besonderes: keine Hauptfigur, kein Plot im eigentlichen Sinne, keine traditionelle Erzählung, sondern eine Sammlung von Augenzeugenberichten in Interview-Form, gesammelt und zusammengestellt von Max Brooks, der damit der Nachwelt ein Zeugnis über den verheerendsten Krieg der Menschheitsgeschichte hinterlassen will – den zehn Jahre währenden Krieg gegen die urplötzlich an allen Ecken und Enden der Welt auftauchenden lebenden Toten. Seit zehn Jahren ist dieser Krieg nun vorbei, und aus den Aufzeichnungen, die aus aller Welt stammen, ergibt sich nach und nach ein Bild der Welt und der Menschen – vor, während und nach dem Krieg. Woher die Zombies kamen, wird kaum thematisiert, dafür aber umso mehr, wie die Menschheit versucht, sich gegen diese Bedrohung zu verteidigen.
Internationale Seuche „Operation Zombie“
Der erste zurückverfolgbare Fall taucht in China auf: Ein Junge kehrt vom Tauchen mit seinem Vater zurück, stirbt, wacht wieder auf und ist dann doch nicht mehr er selbst. Er greift seine Umgebung an, beißt zu und infiziert durch den Biss seine Mitmenschen. Die chinesische Regierung setzt alles daran, die Situation in den Griff zu bekommen, doch vor allem der Schwarzmarkthandel mit Organen macht hier einen Strich durch die Rechnung. Plötzlich tauchen Fälle in Südamerika und Südafrika auf, und ohne den Ursprung zu kennen, setzt sich in der Öffentlichkeit erst mal der Begriff „Südafrikanische Tollwut“ durch.
Fast alle Regierungen sind unvorbereitet, haben keinen Plan und vor allem kein Geld. Wie soll man auf so etwas auch vorbereitet sein? Die „normalen“ Waffen zeigen keine Wirkung, denn schließlich ist der Feind ja schon tot. Doch offensichtlich kann er Kälte nicht besonders gut aushalten, und so empfiehlt die Regierung der USA ihren Bürgern, nach Norden zu ziehen, was in katastrophalen Zuständen und nur wenigen Überlebenden endet. Auf der Suche nach einem sicheren Platz verlassen auch die Bewohner anderer Länder ihr Zuhause, und überall auf der Welt entstehen Flüchtlingslager, Hungersnöte und von der Umgebung abgeschnittene „Zonen“, die irgendwie autark überleben müssen.
Post-apokalyptische Gesellschaft
Immer wieder spielt in „Operation Zombie“ die Gesellschaft eine Rolle, und zwar vor und nach der Apokalypse. Die ganz große Katastrophe, wie sie im Buch bereits passiert ist, ist vor allem eine Folge von mangelnder Weitsicht, Misstrauen, Fehlinformationen und Egoismus. Insofern ist das Buch auch in erster Linie eine sehr realistische Schilderung der Zivilisation und der menschlichen Natur ohne diese „Schutzhülle“. Dass es ausgerechnet Zombies sind, die diese post-apokalyptische Situation herbeiführen, ist für das Resultat irrelevant, aber natürlich spielen sie in dem Buch auch eine Rolle. Manchmal heißen sie auch Ghule, manchmal Siafus, manchmal lebende Tote – und ganz oft einfach nur „sie“. Und klar schildert hin und wieder einer der „Augenzeugen“ eine Kampfszene und irgendwann weiß man auch, dass es ziemlich wichtig ist, das Gehirn eines Zombies zu zerstören, wenn man auf Nummer Sicher gehen will (und das will man). Dass Autor Max Brooks in seinem Nachwort unter anderem George A. Romero dankt, ist auch kein Zufall. Die Hauptrolle in „Operation Zombie“ spielen jedoch nicht die Untoten, sondern ganz normale lebende Menschen: Regierungsbeamte, die entweder versuchen, zu retten, was noch zu retten ist, oder aber ihre Fehler vertuschen, Soldaten, die auf so einen Krieg in keinster Weise vorbereitet sind, Hacker, die Informationen sammeln, Kriegsgewinnler, deren Gewissen gar nicht schlecht sein kann, weil sie keins haben, und vor allem Menschen mit Visionen, die Wege finden, auch diese unglaubliche Situation zu meistern.
Gerade im Kontrast zu dem unrealistischen Zombie-Szenario erkennt man, wie realistisch alles andere im Buch ist: Selbstverständlich gibt es irgendeine Firma, die einen (unwirksamen) Impfstoff entwickelt und damit reich wird, und natürlich gibt es Organisationen, die mit Menschenschmuggel vor allem nach Tibet ihr Geld verdienen. Das einzige Land der Welt, das die Bedrohung rechtzeitig ernst nimmt und eine Quarantäne verhängt, ist Israel. Die USA dagegen wägen ihre Schritte bedächtig im Hinblick auf die Haushaltslage und die nächsten Wahlen ab und entscheiden sich zunächst für eine Politik der kleinen – billigen – Schritte. Die Medien berichten natürlich von nichts anderem mehr als von den Zombies, doch die meisten Bürger sind mehr mit anderen Dingen beschäftigt, als dass sie sich für „so was“ interessierten – bis der verstorbene Nachbar dann stöhnend und hungrig vor der Tür steht. Besonders mysteriös ist der Verbleib von Nordkorea: von dort hört und sieht man auch nach dem Krieg nichts mehr, und die Vermutung ist, dass die Bevölkerung den Befehl erhielt, sich in unterirdische Anlagen zurückzuziehen.
Geplante Verfilmung „World War Z“
Der Titel „Operation Zombie“ mag sich nach einem Horror-Schmöker anhören, dahinter verbirgt sich jedoch ein äußerst realistisches, spannendes und auf Grund der Interview-Form sehr authentisches Endzeit-Szenario. Wer sich für menschliches Verhalten in Krisensituationen, Post-Apokalypsen, Fragen der Zivilisation interessiert, wird das Buch sicher mögen.
Autor Max Brooks ist der Sohn von Regisseur Mel Brooks und Schauspielerin Anne Bancroft. „Operation Zombie“ ist seine zweite Veröffentlichung. Zuvor war er als Autor für „Saturday Night Live“ tätig.
Am 27. Juni 2013 startet die Verfilmung von „Operation Zombie“ mit Brad Pitt in der Hauptrolle in den Kinos – allerdings unter dem Originalnamen „World War Z„. Regie führt Marc Forster (Monster’s Ball, Ein Quantum Trost). Der erste Trailer ist bereits veröffentlicht. Einige Aspekte des Buchs – das Unwissen der einzelnen, die Panik der Menschen, die Nichtgreifbarkeit der Bedrohung – scheinen auch im Film vorzukommen. Von der Erzählstruktur ohne Plot und ohne Hauptfigur hat man sich jedoch verabschiedet, so dass abzuwarten bleibt, ob der Film ähnlich realistisch wirkt wie das Buch oder einfach nur eine gute post-apokalyptische Story erzählt. Zur Filmkritik von World War Z >>
Infos zum Buch
Operation Zombie
(World War Z:
An Oral History of the Zombie War)
Max Brooks
448 Seiten
Erstausgabe 2006
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