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Mehr als ein Comic

von Yvonne

Auch Helden sind Menschen. Menschen, die ihre Welt verändern. In „Watchmen“, Alan Moores Graphic Novel, die oft als beste Graphic Novel überhaupt bezeichnet wird, sind sogar die Superhelden Menschen. Und diese Menschen haben ihre Welt ziemlich verändert.

In der alternativen Realität, in der „Watchmen“ spielt, fand sich in den 1940ern die erste Gruppe Menschen, die sich „Minutemen“ nannte und als kostümierte Helden auf die Straße ging, um auf eigene Faust das Verbrechen zu bekämpfen. Eine zweite Generation Superhelden folgte in den 1960ern, die Watchmen. Professioneller als die Minutemen, mit fortgeschrittener Technik, überdurchschnittlicher Intelligenz und – in einem Fall – sogar mit echten Superkräften ausgestattet, halfen die Watchmen den USA dabei, den Vietnamkrieg zu gewinnen. Doch auch die Zeit der Watchmen ging vorbei. Die Bevölkerung empfand sie nicht mehr als Schutz und willkommene Ergänzung der Polizei, sondern als Selbstjustiz übende Bedrohung, und Ende der 1970er wurde es verboten, als Superheld das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Den ehemaligen Watchmen blieb nicht viel übrig, als in den verfrühten Ruhestand zu gehen.

Nun, in den 1980ern, sind nur noch drei der Helden im Einsatz: Doctor Manhattan, der durch einen nuklearen Unfall nahezu grenzenlose Kräfte entwickelt hat und selbst die Gesetze der Physik, Raum und Zeit überwinden kann, hat als lebende Krönung des Wettrüstens die Anspannungen des Kalten Kriegs noch verschärft und arbeitet für die Regierung der USA. Auch der selbstgerechte und draufgängerische Comedian ist im Auftrag der Regierung unterwegs, allerdings als Agent, der zur Not einfach tut, was getan werden muss. Der einzige Superheld, der sich nicht an das Verbot hält und weiterhin nachts auf Verbrecherjagd geht, ist Rorschach, dessen Gesicht selbst seine ehemaligen Watchmen-Kollegen noch nie gesehen haben. Immer trägt er eine Maske, deren Aussehen an einen Rorschach-Test erinnert, sich ständig ändert und dabei Rorschachs Stimmungen wiedergibt. Für Rorschach gibt es keine Regeln außer denen, die sein Gewissen ihm vorgibt. Und so verstößt er gegen das Gesetz, um für Gerechtigkeit zu sorgen.

„Watchmen“ beginnt sehr ungewöhnlich und ganz anders, als es das Thema „Superhelden“ erwarten lässt: Einer der Helden wird tot aufgefunden. Der Comedian, dessen größte Stärke seine Stärke war, wurde ganz offensichtlich in seiner Wohnung überfallen und durch ein Fenster geworfen. Die Polizei ist ratlos, vermutet einen Raubüberfall und erkennt den Helden auch nicht. Aber Rorschach, der seine Augen und Ohren überall hat, ist klar, dass nur jemand mit ähnlicher Kraft das bewerkstelligt haben kann, und auch, dass der Comedian nicht zufällig Opfer eines Überfalls wurde. Für Rorschach deutet alles darauf hin, dass jemand ehemalige Superhelden tötet.

Wiedervereinigung der „Watchmen“

Und so sucht Rorschach seine alten Kollegen auf, um sie zu warnen und sie bestenfalls dazu zu bringen, sich zu wehren. Doch die meisten sind ganz zufrieden in  ihrem aktuellen Leben und wollen lieber jeglichen Ärger vermeiden. Nite Owl führt ein beschauliches Leben und möchte auch, dass das so bleibt. Doctor Manhattan hat mit seiner Regierungsarbeit genug zu tun und ist emotional so weit von der Wirklichkeit und der Menschheit an sich entrückt, dass ihm auch egal ist, was mit anderen passiert. Seine Freundin Silk Spectre leidet unter Doctor Manhattans Gefühllosigkeit und auch darunter, dass sie einfach in das Kostüm ihrer Mutter, der früheren Silk Spectre, geschlüpft ist. Der vierte, den Rorschach warnt, ist Adrian Veidt, früher als Ozymandias unterwegs, der seinen Vorteil, der intelligenteste Mensch der Welt zu sein, mittlerweile dazu nutzt, mit seinem Unternehmen auch noch der reichste Mann der Welt zu werden.

Doch es zeigt sich, dass Rorschach Recht hatte und dass es offensichtlich jemand darauf angelegt hat, die Watchmen der Reihe nach zu töten. Wer dieser Feind ist und was er damit bezweckt, ist nicht klar, aber immerhin bringt dies Nite Owl und Silk Spectre dazu, wieder zusammen zu arbeiten und zu versuchen, die Verschwörung, die weit größere Ausmaße hat als man zunächst ahnt, aufzudecken und zu bekämpfen..

Watchmen: Mehr als „nur“ ein Comic

„Watchmen“ ist weit mehr als ein „normaler“ Superhelden-Comic und das Time Magazin zählt die Graphic Novel zu einem der 100 besten Romane aller Zeiten. Die sehr innovativen Zeichnungen, die den Inhalt auf der graphischen Ebene stützen, werden ergänzt durch Zusatzmaterialien – Zeitungsausschnitte, Interviews, Briefe – die authentisch die Entwicklung der Watchmen und der USA dokumentieren. Die Erzählung springt zwischen verschiedenen Zeiten und Orten, und scheinbare Nebenhandlungen stellen sich als wichtig heraus. Hinzu kommt eine weitere Erzählebene, der Comic „Tales of the Black Freighter“, eine düstere Piratengeschichte, die eine der Figuren in „Watchmen“ liest.

Insgesamt setzt sich „Watchmen“ sehr kritisch mit dem Thema „Superheldentum“ und Verantwortung auseinander. Die Figuren sind absolut differenziert dargestellt, keine der wichtigen Figuren ist einfach schwarz oder weiß, sondern in jedem streiten sich unterschiedliche Motivationen. Etwas wirklich Schlechtes will niemand, nur sind einige davon überzeugt, dass der Zweck die Mittel heiligt. Die beiden wichtigsten Hauptfiguren – Rorschach und sein Widersacher, von dem man lange nicht erfährt, wer er ist – deuten die Verantwortung, die sie übernommen haben, als das Recht, zu entscheiden, was für die Welt gut und richtig ist. So ergibt sich die Frage, die an eine Wand gesprüht, im Comic auftaucht, als zentrales Thema des Buchs: „Who watches the watchmen?“ Welche Instanz gibt es, die diejenigen überprüft, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, der Gesellschaft zu nützen und sie zu schützen? Dies ist nicht nur ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem, sondern auch die Basis der dystopischen Fiktion: Die Entscheidung darüber, was für alle anderen gut ist, und die Möglichkeit, dies durchzusetzen, liegen in der Hand einiger weniger. Und selbst, wenn man keinem der Watchmen wirklich eigennützige Motive unterstellen kann, ist allein die Tatsache, dass sich so viel Macht auf einzelne Personen konzentriert, kritisch zu sehen.

„Watchmen“ erschien zunächst in einer Reihe Einzel-Comics und liegt mittlerweile in verschiedenen Ausführungen in einem Band vor. 2009 wurde die Graphic Novel als „Watchmen – Die Wächter“ von Zack Snyder verfilmt. Gleichzeitig entstand die animierte Verfilmung von „Tales of the Black Freighter“, der als Comic im Comic eine wichtige Rolle in „Watchmen“ spielt.

Für mich war „Watchmen“ der Einstieg in die Welt der Graphic Novels, die im besten Fall eine tolle Story mit einer besonderen graphischen Umsetzung verbindet und somit im Vergleich zum Roman eine weitere Erzählebene zur Verfügung hat. Also auch für Nicht-Comic-Fans eine absolute Empfehlung!

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