Eins der ersten Bücher (um genau zu sein: das zweite), das wir in unserem Buchclub gelesen haben, stammte auf meinen Vorschlag hin von Chuck Palahniuk. „Das letzte Protokoll“ kannte ich vorher selbst noch nicht (was Bedingung ist, um vorgeschlagen zu werden), aber da ich bisher mit Büchern von Palahniuk immer gut gefahren bin, war ich gespannt. Da der Vorschlag von mir kam, durfte ich auch gleich etwas Hintergrundinformation darüber beschaffen, was mich dazu gebracht hat, die beiden anderen Teile der Horrortrilogie von Chuck Palahniuk – „Lullaby“ und „Die Kolonie“ – ebenfalls zu lesen. Um das vorwegzunehmen: Beide haben mir besser gefallen als „Das letzte Protokoll“, obwohl auch das lesenswert ist.
Künstlerträume, die wahr werden
Misty Marie wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihr wichtigstes Talent: Sie kann zeichnen. Das tut sie auch oft und gerne, um ihrem für sie erdrückenden Zuhause zu entfliehen, vor allem, indem sie wieder und wieder eine Insel zeichnet, von der sie träumt und auf der sie gerne leben würde. Da sie glaubt, dass das Zeichnen ihre Fahrkarte aus der Armut sein wird, setzt sie alles daran, eine Kunstakademie zu besuchen, wo sie letztlich ihren späteren Ehemann kennen lernt – Peter Wilmot, praktischerweise nicht nur ganz offensichtlich in Misty vernarrt, sondern außerdem auch noch Sohn aus gutem Hause. Peter erkennt die Häuser und Straßenzüge, die Misty seit ihrer Kindheit immer wieder zu Papier gebracht hat, aus seinem Heimatort, der auf Waytansea Island liegt. Doch – wait and see – nachdem Peter Misty (mit dem ältesten denkbaren Trick) dazu gebracht hat, ihn zu heiraten und ihm auf die Insel zu folgen, liegt es nahe, dass Misty nach der Geburt von Tochter Tabbi ihre Künstlerkarriere aufgibt. Dass Peters Vater stirbt und die wohlhabenden Familien nach und nach ihr Vermögen verlieren und ihre Häuser an schlecht erzogene Touristen vermieten müssen, trägt noch dazu bei, dass Misty mit ihrer neuen Rolle alles andere als zufrieden ist.
Wirklich das letzte Protokoll?
Während Misty versucht, Tochter, Ehemann und Schwiegermutter durch Kellnern über Wasser zu halten, hält Peter die Situation offensichtlich nicht mehr aus: Er begeht einen Selbstmordversuch. Da dieser jedoch missglückt und Peter anschließend im Koma auf der Intensivstation liegt, hat Misty nicht nur mit vermasselten Handwerker-Aufträgen ihres Mannes zu tun – ehemalige Kunden rufen an, und beschweren sich, dass plötzlich Räume verschwunden sind -, sie wird außerdem von ihrer Schwiegermutter dazu gedrängt, ein Komatagebuch zu führen, das im englichen Titel schlicht „Diary“ genannt wird und in der deutschen Übersetzung (unnötigerweise) zu „Das letzte Protokoll“ wurde. Doch damit hat Misty noch nicht genug am Hals, denn plötzlich will die ganze Insel sie mit allen Mitteln dazu bringen, wieder mit dem Malen zu beginnen.
Situation der Ausweglosigkeit
Auch wenn Chuck Palahniuk „Das letzte Protokoll“ zu seiner Horror-Trilogie zählt, handelt es sich hier schon eher um eine Art spannende Fantasy. Der Horror, den man beim Lesen erlebt, ist eher subtiler Natur, denn er entsteht vor allem dadurch, dass der Hauptfigur Misty nicht viel bleibt, als sich in ihr Schicksal zu fügen. Wie eigentlich alles von Palahniuk sehr schnell gelesen und sehr lange nicht vergessen, da auch hier wieder ein kritischer Blick auf unsere / die amerikanische Gesellschaft geworfen wird und sich absurde Ideen und wissenschaftliche Details die Waage halten. Wer Fight Club und ähnliches mag, ist sicher auch mit „Das letzte Protokoll“ gut bedient.
Infos zum Buch
Das letzte Protokoll
(Diary)
Chuck Palahniuk
288 Seiten
Erstausgabe 2005
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Das letzte Protokoll (Diary)
Chuck Palahniuk
288 Seiten
Erstausgabe 2005