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Dass wir uns haben von Luise Maier

von Yvonne

Erinnerungen an die eigene Kindheit haben oft etwas episodenhaftes. Die Geschichten, die wir uns später aus Erlebtem bilden, mit Anfang und Ende, gibt es noch nicht, und manches kommt uns schlaglichtartig vors innere Auge.

Genau so schildert die Erzählerin in Luise Maiers Debütroman Dass wir uns haben ihre Kindheit. In kurzen Episoden erzählt sie von Situationen in ihrer Familie, die aus ihren Eltern, ihrem älteren Bruder und ihr selbst besteht. Meist sind das keine schönen Erinnerungen.

Der Vater, dessen Körperlichkeit allgegenwärtig ist, der fast zu groß für ein so kleines Buch ist, ist vor allem zum Bruder gewalttätig, fesselt ihn oder sperrt ihn im Keller ein, um ihn unter Kontrolle zu bekommen. Die Mutter, eine Künstlerin, versucht, auszugleichen, was ausgeglichen werden kann, aber das ist in Summe nicht sehr viel. Dazu wird sie chronisch krank, was bei ihrem Leben nicht wirklich wundert.

Zur emotionalen kommt noch wirtschaftliche Armut. Die Familie hält sich am Existenzminimum. Der Familienzusammenhalt – wie der Titel Dass wir uns haben andeutet – kommt vor allem in Krisen zum Tragen, seien sie nun auf externe Umstände zurückzuführen oder selbst herbeigeführt.

Er weinte den restlichen Nachmittag. Mutter und ich saßen abwechselnd an seiner Bettkante und streichelten über seinen Rücken. Der Rücken hörte nicht auf zu zucken. Ich streichelte nur ganz vorsichtig, dort, wo ich auch am liebsten gestreichelt werde, wenn ich weine.

Dass wir uns haben: Lakonisch erzähltes Familiendrama

Wie Kindheitserinnerungen sind, so ist auch dieser Roman. Manchmal zusammenhangslos, nicht wertend – für das Kind ist alles normal, was ihm präsentiert wird – stellt Luise Maier verschiedene Episoden nebeneinander, die zusammengenommen ein Mosaik einer Familie ergeben, die an sich selbst scheitert. Nur selten gibt es schöne Momente, die sind jedoch kurz und werden schnell durch die nächste Schrecklichkeit abgelöst. Und doch gibt es dies: Zärtlichkeit und Nähe inmitten von Gefühlskälte und Gewalt. Jeder einzelne in der Familie kann am Ende nicht aus seiner Haut – was nicht bedeutet, dass er es nicht versucht.

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Dass wir uns haben von Luise Maier

Erschienen 2017 bei Wallstein Verlag
152 Seiten, 18,00 Euro

Bei Amazon bestellen           Bei Thalia bestellen

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Dass wir uns haben von Luise Maier

Erschienen 2017 bei Wallstein Verlag
152 Seiten, 18,00 Euro

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Als ich die Küchentür öffnete, schwappte mir ein süßer Geruch entgegen. Auf dem Tisch stand eine Vase, darin steckten gelbe Tulpen. Vater hatte sie für Mutters Geburtstag besorgt. Mutters Augen glänzten, und in dem Glanz spiegelten sich die Blumen. Zum Frühstück gab es Krapfen, die hatte Vater oben beim Bäcker billiger bekommen, weil sie vom Vortag waren.

Dass wir uns haben ist ein eindringliches Buch, das durch seine nüchterne Sprache die geschilderte psychische und physische Gewalt noch schlimmer werden lässt. Das ist nicht immer schön zu lesen, manchmal sogar wirklich schrecklich, aber in jedem Fall ist es beeindruckend und lässt einen nach dem Lesen so schnell nicht mehr los.

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