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Kein Grund mehr zur Freude

von Yvonne

Fünf Freunde, die sich noch aus der Schulzeit kennen, treffen sich zu ihrem jährlichen gemeinsamen Wochenend-Ausflug auf einer Hütte in den Bergen, und als sie zurückkehren, existiert die Welt, wie sie sie kannten, nicht mehr. Es bietet sich ein Bild der Zerstörung: Die Dörfer und Städte brennen, die Straßen sind verstopft mit zurückgelassenen und ausgebrannten Fahrzeugen, Menschen sieht man so gut wie gar nicht. Die Situation, die nicht erklärbar ist, erfordert Handeln, auch wenn man gar nicht weiß, welche Optionen es überhaupt gibt. Also entscheiden sie sich für eine Richtung und gehen los, auf der Suche nach etwas, das sie selbst nicht benennen können.

Trotz der Brände ist die Welt kalt, und genau so werden es auch die Freunde: empathie- und emotionslos. Eine Frau, die sie finden, vergewaltigen sie nacheinander, und lassen sie anschließend liegen. Wahrscheinlich haben sie sie getötet. Ein Kind lassen sie sitzen, weil es nur eine Last wäre. Die Versuche, sich selbst zu versichern, dass die Eltern bestimmt in der Nähe sind, sind halbherzig und stammen aus einer anderen Welt, in der man noch eine Verantwortung für andere hatte. Diejenigen von ihnen, die sich unterwegs verletzen, lässt man entweder liegen oder man erlöst sie auf eigenen Wunsch von ihrem Leiden. Raum für Mitgefühl gibt es nicht mehr, es zählt nur noch das eigene Überleben. Nahrung gibt es teilweise noch im Supermarkt, aber dort waren offensichtlich schon andere vor ihnen, auch wenn man nur noch ihre Spuren sieht.

Antworten gibt es ebensowenig. Was passiert ist, weiß man nicht, aber es ist auch nicht wichtig. Der Mensch passt sich der Situation an, in die er hineingeworfen wird, und stellt nur selten die Frage nach dem Warum.

Die kindliche Hoffnung des Hirns, durch längeres Hinsehen Antworten zu finden.

Eigentlich müssten wir tanzen – erschütterndes Dokument der Un-Menschlichkeit

Heinz Helle beschreibt in seinem zweiten Roman eine düstere Welt nach ihrem eigenen Untergang. Die Freunde in der Post-Apokalypse bilden eine Zweckgemeinschaft, die sich noch aus alten Bindungen speist. Dass sie einander zur Seite stehen, verdanken sie dem Band ihrer gemeinsamen Geschichte, ohne dass sie füreinander ebensowenig Empathie aufbringen würden wie für den Rest der Welt.

Eigentlich müssten wir tanzen besteht aus vielen knappen, lakonisch erzählten Kapiteln, in denen der Ich-Erzähler, einer der fünf Freunde, abwechselnd über ihren sinnlos erscheinenden Weg und ihren Kampf ums Überleben, ihre gemeinsame Geschichte und ihre Zeit auf der Hütte. Die Frage, was passiert ist, wird zunehmend irrelevant, vielmehr handelt der Roman davon, was mit dem Menschen passiert, wenn man die Decke der Zivilisation von ihm herunterzieht und ihn so sein lässt, wie er wirklich ist. Dies ist oft kein schöner Anblick, aber einer, der einen in Frage stellen lässt, was den Menschen wirklich ausmacht.

Das Vorher und Nachher, in das der Roman eingeteilt ist, lässt einen kleinen Hoffnungsschimmer auf ein Noch-Später zu, darauf, dass es eine Welt nach der Welt geben könnte. Doch der Ich-Erzähler macht klar, dass dies eine Welt der anderen sein wird.

Ich stelle mir vor, wenn nach uns jemand die Welt wieder aufbaut, wird es eine schweigsame Welt sein. Die Menschen werden sich nur mit Blicken austauschen, mit vorsichtigen Gesten und sanften Berührungen, und sie werden die Stimmbänder nur nutzen, um zu lachen oder zu seufzen.

Eigentlich müssten wir tanzen war nominiert für den Deutschen Buchpreis 2015 (Longlist). Leider hat der Roman es nicht auf die Shortlist geschafft, was dieses packenden, faszinierenden und teilweise verstörenden Buch definitiv verdient hätte.

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