Jude, Willem, JB und Malcolm lernen sich auf dem College kennen. Sie freunden sich an, obwohl sie auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sind. Malcolm und JB kommen aus wohlhabenden Familien und erhalten viel Rückhalt von ihren jeweiligen Familien. Willems Eltern sind ihrem Sohn gegenüber eher distanziert und sie verfügen auch nicht über die finanziellen Mittel, ihren Sohn beim Studium zu unterstützen.
Jude St. Francis jedoch ist das größte Rätsel der vier. Er hat keine Eltern mehr und gibt auch nichts von seiner Vorgeschichte preis. Nicht einmal den Grund für sein Humpeln verrät er seinen Freunden. Natürlich fragen seine Freunde immer wieder, woher er kommt und was er bisher erlebt hat. Doch Jude ist und bleibt verschlossen, was seine Vergangenheit betrifft.
Dies wird auch so bleiben. Jude tut sich sehr schwer damit, wirkliches Vertrauen zu anderen Menschen zu schaffen, und das, obwohl die anderen drei, allen voran Willem, ihm eigentlich allen Grund dazu geben. Doch schnell wird klar, dass die Judes Vergangenheit so schreckliche Geschehnisse birgt, dass sie für ihn nicht besprechbar sind.
Sie waren seine Freunde, seine ersten Freunde, und ihm war bewusst, dass Freundschaft auf einem immerwährenden Austausch basierte: von Zuneigung, von Zeit, manchmal auch von Geld, immer aber von Information.
Gute Freunde als Stütze in Ein wenig Leben
Willem ist derjenige, der am meisten Geduld und Zuneigung Jude gegenüber aufbringt. Er erfährt auch als erster davon, dass Jude sich regelmäßig mit Rasierklingen selbst verletzt. Und Willem ist klar, dass er alles in seiner Macht stehende tun wird, um Jude davon abzubringen. Ein weiterer Glücksfall für Jude ist Harold, sein ehemaliger Professor, der Jude aufnimmt wie einen eigenen Sohn. Doch auch bei ihm fällt es Jude schwer, sich zu öffnen.
Er wollte Harold gern besser kennenlernen, doch das Essen hatte ihm in Erinnerung gerufen, dass dieser Prozess – jemanden kennenlernen – jedes Mal so viel fordernder war als gedacht. Er vergaß es immer wieder; er wurde immer wieder daran erinnert.
Ein wenig Leben begleitet Jude und die Personen um ihn herum über einen Zeitraum von gut dreißig Jahren und schließt in Rückblenden auch Judes Kindheit ein. Während all dieser Jahre sind Willem und Harold darum bemüht, ihm ein kleines bisschen Selbstvertrauen zu schenken, etwas, das Jude schon vor langer Zeit genommen wurde.
Ein wenig Leben – ganz schön viel Buch
Ein wenig Leben stand 2015 auf der Shortlist für den Man Booker Prize. Ende Januar ist der Roman auf Deutsch erschienen und hat einen regelrechten Hype ausgelöst. Der Verlag bewirbt den Roman mit den Worten „Sie werden über dieses Buch sprechen wollen“, in nahezu jeder Buchhandlung liegt er in exponierter Lage aus, auf der Spiegel-Bestsellerliste war er seit Erscheinen (und ist es noch) und selbst das Literarische Quartett hat über Ein wenig Leben gesprochen. Sprich, an diesem Buch kommt man kaum vorbei.
Ich war entsprechend neugierig und vorfreudig, als ich es endlich aufschlagen konnte. Und dann war ich schon beim ersten Satz ein wenig überrascht. Da sucht jemand in einem unnötig langen und schwafeligen Satz ganz offensichtlich eine Wohnung. Leider hat sich der Eindruck – unnötig lang und schwafelig – das ganze Buch hindurch bestätigt. Und am Ende bin ich mit einem absolut zwiespältigen Eindruck zurück geblieben.
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Ein wenig Leben (A little life) von Hanya YanagiharaErschienen 2017 bei Piper | Anzeige |
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Einerseits ist die Geschichte der Freundschaft zwischen Jude und Willem wirklich besonders. Sie ist geprägt durch bedingungslose Geduld und den Willen, nur das Beste im anderen zu sehen und für ihn zu wollen. Auf der anderen Seite hat mich an dem Buch allerdings so viel genervt, dass ich mich noch fünfzig Seiten vor Schluss gefragt habe, ob ich es wirklich zu Ende lesen soll und dass ich einen eigenen Artikel, über all die Dinge, die mich an Ein wenig Leben genervt haben, geschrieben habe. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass mir der Roman in vielen Punkten einfach zu amerikanisch ist. Die Erfolge sind riesig, die Schmerzen auch, und das Buch ist einfach mal um 500 Seiten zu lang.
Das „Buch des Jahres“ ist dieser Roman definitiv nicht für mich, auch wenn es eigentlich noch sehr früh im Jahr ist, um diese Aussage – in die eine oder in die andere Richtung – zu treffen.
1 Kommentar
[…] Achtung: In der Natur der Sache liegt es, dass hier Spoiler vorkommen. Um ehrlich zu sein, der Artikel ist voller Spoiler. Ihr braucht den Roman anschließend nicht mehr zu lesen, weil ihr alles wisst. Zu meiner komplett spoilerfreien Rezension geht es hier lang >> […]