Es ist um 1960, und der 17jährige Ich-Erzähler Weigand ist von der Schue geflogen, als die Geschichte beginnt. Schlimm ist das für ihn nicht: Ihm ist ohnehin seit zwei Jahren klar, dass er Schriftsteller werden wird, und er versorgt die Apothekenumschau und die Kundenzeitung des Metzgers mit kleineren Artikeln. Auch die künftige Ehe mit seiner Freundin Gudrun ist fest geplant; selbst auf Anzahl und Geschlecht der gemeinsamen Kinder haben die beiden sich schon geeinigt. Da aus dem Schulabschluss nichts geworden ist, und man um Weigands Zukunft bangt, drängen seine Eltern und Gudrun ihn gegen seinen Willen, möglichst bald eine Lehrstelle anzunehmen.
Ziele mit 17: Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman
Nachdem die Mutter ihn über Wochen hinweg von einem Vorstellungsgespräch zum nächsten geschleppt hat, bringt sie ihn schließlich in einer Spedition unter, was ihn eigentlich überhaupt nicht interessiert. Parallel hat er sich nach Möglichkeiten umgesehen, sein Schreiben auszudehnen, und etwa gleichzeitig mit der Vermittlung der Stelle durch seine Mutter schafft er es, eine Tätigkeit für die Lokalredaktionen mehrerer Tageszeitungen aufzunehmen. Und so beginnt sein „Doppelleben“: Tagsüber arbeitet er als kaufmännischer Lehrling, der eigentlich ein Ersatz-Lagerarbeiter ist, abends besucht er als lokaler Berichterstatter die unterschiedlichsten örtlichen Veranstaltungen.
Als er einem Radio-Interview mit Heinrich Böll mehr Aufmerksamkeit widmet als den ersten sexuellen Annäherungsversuchen seiner Freundin, ist dies der Beginn für das langsame Erkalten der Beziehung. Da seine Pläne mit Gudrun sich so überholen, fasst Weigand sich drei neue Ziele: eine Frau, eine Wohnung, ein Roman – das will er in seinem Leben haben, in ebendieser Reihenfolge. Den Weg dorthin begleitet man den Erzähler durch verschiedene Liebschaften und seine Selbstzweifel hindurch, und wenigstens eines seiner Vorhaben hat er am Ende des Romans verwirklicht.
Entwicklungsroman eines schon sehr erwachsenen Jugendlichen
„Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman“ zeigt den Weg Weigands vom Jugendlichen, der ziemlich genau weiß, was er vom Leben will, aber nicht so recht ins gesellschaftliche Bild von Arbeiter- und Angestelltendasein passt, hin zum Schriftsteller. Wilhelm Genazino begann seine schriftstellerische Karriere wie seine Hauptfigur als Journalist, so dass „Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman“ einige autobiographische Züge aufweist.
Genazino wurde für sein Werk bereits mit diversen Preisen, unter anderem mit dem Georg-Büchner-Preis 2004, ausgezeichnet. Vor allem seine schlichte Sprache, die auch ohne ausgefallene Bilder jede Situation kurz und knapp auf den Punkt bringt, macht seine Bücher lesenswert.
Infos zum Buch
Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman
160 Wilhelm Genazino
Seiten
Erstausgabe 2003
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