Es gibt Situationen, da übernimmt die Fantasie für einen und schreibt die eigene Geschichte viel besser fort, als das Leben es könnte. Erstaunlich vielen der Protagonisten in Saša Stanišićs Mischung aus Erzählband und Roman Fallensteller passiert das regelmäßig, und so findet man Zwerge neben Rechtsanwälten, sprechende Tauben in Stockholm und Playstation-spielende Hirsche im Wald.
In der Eingangserzählung versucht Opa Klingenreiter, sich seinen Traum von der Zauberer-Karriere durch eine Aufführung – seine erste – im Saal des Sägewerks zu erfüllen. Sein Neffe nutzt die Veranstaltung frech – und respektlos – um kurz den anwesenden Arbeitern etwas mitzuteilen, was für Klingenreiter selbst nicht mal so ungewöhnlich ist.
Klingenreiter lächelte und hasste es, dass er lächelte. Dass er immer aus den Ecken lächeln musste, in die er gedrängt wurde.
Mehr noch als sich selbst möchte Klingenreiter seinem Großneffen eine Freude bereiten, zu dem er endlich eine großväterliche Beziehung aufbauen möchte.
Klingenreiter konnte seine Freude kaum verbergen, und Käthe fragte sich in seinen Gedanken, warum man Freude überhaupt je verbarg.
Die Zauberer-Erzählung ist nur die erste von zwölfen, die teilweise miteinander verbunden sind. Mo und seine platonsiche Freundin beispielsweise reisen Mos Angebeteter Rebekka nach und landen so auf einer Rhein-Floß-Veranstaltung christlicher Aktivisten und in Schweden, wo sie ein Bild stehlen.
Ein in die Jahre gekommener Justiziar nutzt die Gelegenheit einer Verwechslung in Brasilien, noch mal von einem Neu-Anfang zu träumen und davon, sein Leben den Zufällen zu überlassen.
Fallensteller der Literatur
Der titelgebende Fallensteller zieht in der längsten der Erzählungen nach Fürstenfelde, dem imaginären Schauplatz von Stanišićs Vorgänger-Roman Vor dem Fest. Fürstenfelde hat den literarischen Rummel um das Dorf seit Veröffentlichung des Romans ganz gut verkraftet, auch wenn die Touristen nerven, die die „Originalschauplätze“ des Buchs besuchen wollen.
Das größere Problem von Fürstenfelde sind die Ratten in Ullis Garage, wo man sich zum Trinken trifft. Und ein Fallensteller, der sich auf Ratten spezialisiert hat, kommt da gerade recht. Das misstrauische Dorf vermutet einen Betrüger – oder zumindest so etwas wie einen Zauberkünstler.
Noch hatte sie eins und eins nicht zusammengerechnet, aber die Gleichung schien sie innerlich schon mal aufgeschrieben zu haben.
Saša Stanišićs dritte Buch-Veröffentlichung (neben zahlreichen Erzählungen, Essays und Hörspielen) offenbart wieder das große sprachliche Talent dieses Ausnahme-Schriftstellers. Bereits zwei Mal war er für den Deutschen Buchpreis nominiert und räumte auch schon etliche andere Literaturpreise ab, darunter den Preis der Leipziger Buchmesse 2014.
Neben den vielen kleinen Fallen und Verwirrspielen, die das Buch dem Leser stellt, fasziniert vor allem Stanišićs Sprache, die ein wunderbares Bild nach dem anderen entstehen lässt und einen fantastischen Satz an den nächsten reiht.
Fallensteller ist sowohl komisch als auch teilweise sehr melancholisch und eine Empfehlung für alle Liebhaber sprachgewandter Literatur.