Wenn es stimmt, dass man ist, was man tut, dann sieht es für den namenlosen Ich-Erzähler in „Fight Club“ rein Karma-mäßig nicht besonders toll aus: Sein Job ist es, für einen Automobilkonzern auszurechnen, ob es sich bei bekannten Produktionsfehlern lohnt, eine Rückrufaktion zu starten, oder ob es nicht doch billiger ist, die zu erwartenden Klagen einfach mit einem Vergleich aus der Welt zu räumen. Um die entstandenen Schäden besser beurteilen zu können, fliegt er ständig kreuz und quer durch die USA, und sein Leben im Flugzeug und die zunehmend verspürte Leere führen zu andauernder Schlaflosigkeit.
Selbsthilfegruppe gegen Schlaflosigkeit
Der Arzt, den er konsultiert, rät ihm, sich einmal wirklich kranke Menschen anzusehen, am besten in einer Selbsthilfegruppe für an Gehirnparasiten Erkrankte. Der Protagonist folgt in seiner Verzweiflung diesem Rat, und wider Erwarten hat dieses Erlebnis einen positiven Effekt: Zum Ende der Selbsthilfegruppe spenden die Teilnehmer einander Trost, indem sie sich jeweils zu zweit in den Armen liegen und sich ausweinen können. Auch der Erzähler schafft es irgendwann, zu weinen, und dieses Weinen bringt ihm den ersten ruhigen Schlaf seit langem. Froh, ein Mittel gegen seine Schlaflosigkeit gefunden zu haben, sucht er sich nun für jeden Abend der Woche eine andere Selbsthilfegruppe, in die er sich einschleicht.
Es ist leicht, zu weinen, wenn dir klar wird, dass alle, die du liebst, dich zurückweisen oder sterben werden. Auf einer Zeitskala, die lang genug ist, fällt die Überlebensquote für jeden auf null.
Nach zwei Jahren trifft er plötzlich in allen Selbsthilfegruppen immer wieder auf Marla Singer, die offensichtlich auch eine Simulantin ist. Ihre Anwesenheit macht es ihm unmöglich zu weinen, und die Schlaflosigkeit setzt wieder ein. Gestresst von der Fliegerei und ohne die Aussicht auf Schlaf macht der Erzähler Urlaub. An einem Nacktbadestrand trifft er zum ersten Mal auf Tyler Durden. Die beiden sind die einzigen Menschen am Strand, und Tyler arbeitet daran, fünf Baumstämme so aufzustellen, dass sie – zumindest eine Minute lang – den Schatten einer vollkommenen Hand ergeben.
Eine Minute sei genug, sagte Tyler, ein Mensch müsse hart dafür arbeiten, aber eine Minute Vollkommenheit sei die Anstrengung wert. Eine Minute sei das Äußerste, was du an Vollkommenheit erwarten kannst.
Gründung des ersten Fight Club
Aus dieser kurzen und etwas merkwürdigen Begegnung wird eine intensive und ebenso merkwürdige Freundschaft, die damit beginnt, dass der Protagonist bei Tyler Durden einzieht. Nach einer seiner vielen Reisen will der Erzähler nach Hause zurückkehren, muss aber feststellen, dass er kein Zuhause mehr hat: Die Wohnung ist während seiner Abwesenheit explodiert und vollständig ausgebrannt. Ohne irgendeinen Besitz bleibt Tyler als letzter Ausweg. Als Gegenleistung für seine Gastfreundschaft will Tyler sich mit dem Erzähler prügeln, einfach so, weil er noch nie an einer Schlägerei teilgenommen hat und wissen will, was er dadurch verpasst hat. Der Erzähler willigt ein, und schnell haben die beiden Zuschauer. Offensichtlich haben auch andere Männer das Bedürfnis, sich zu schlagen, und die beiden gründen den ersten „Fight Club“, der es seinen Teilnehmern ermöglicht, sich unter fairen Bedingungen zu prügeln.
Vom Fight Club zum Projekt Chaos
Der Fight Club ist so erfolgreich, dass in allen größeren Städten des Landes weitere gegründet werden. Das Interesse ist groß, obwohl eigentlich niemand über den Fight Club reden darf. Doch bald schon reicht das Tyler nicht mehr. Er möchte Veränderungen in der Gesellschaft bewirken, und so ruft er das „Projekt Chaos“ ins Leben. Ausgewählte Fight Club-Mitglieder dürfen teilnehmen, und ihr Ziel ist es, Chaos zu stiften und konsumkritische Aktionen durchzuführen. Tylers Ziel ist es, „die Welt zu retten“, und für ihn ist der einzige Weg dahin Zerstörung.
„Recycling und Geschwindigkeitsbegrenzungen sind Quatsch“, sagte Tyler. „Das ist, wie wenn jemand auf dem Totenbett das Rauchen aufgibt.“
Als die Aktionen immer umfangreicher und ausufernder werden, fängt der Protagonist an, Tyler zu misstrauen.
Gesellschaftskritisches Kultbuch
„Fight Club“ ist das erste Buch von Chuck Palahniuk, und es wurde vor allem durch die Verfilmung von David Fincher mit Edward Norton, Brad Pitt und Helena Bonham Carter in den Hauptrollen bekannt. Die Geschichte stimmt weitestgehend überein, dennoch lohnt es sich, das Buch zu lesen, auch wenn man den Film schon kennt. Der Ideenreichtum, der atemlos spannende Schreibstil, die nicht chronologische Erzählweise und vor allem die Gesellschafts- und Konsumkritik haben „Fight Club“ zu Recht zu einem Kultbuch gemacht. Viele Formulierungen sind so prägnant, dass man sie nicht mehr vergisst. Und über etliche Szenen kann man anschließend endlos nachdenken, weil sie auch etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben.
Infos zum Buch
Fight Club
Chuck Palahniuk
256 Seiten
Erstausgabe 1999
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