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Heim schwimmen (Deborah Levy)

von Yvonne
Cover "Heim schwimmen"

Cover „Heim schwimmen“

Kitty Finch – so heißt die Mensch gewordene Zerbrechlichkeit, die den Urlaub zweier britischer Ehepaare durcheinander bringt. Als Joe und Isabel Jacobs mit ihrer Tochter Nina und ihren Freunden Laura und Mitchell ihr Ferienhaus an der Côte d’Azur beziehen, ist der erste Anblick der von Kitty Finch, die nackt und mit dem Kopf nach unten im Swimming Pool treibt. Isabel, die in ihrem Job als Kriegsreporterin schon ganz anderes gesehen hat, springt in den Pool und zieht Kitty heraus, die entgegen der Befürchtungen der Urlauber wohlauf ist und nach eigener Aussage nur eine Runde schwimmen wollte.

Offenbar gab es bei der Belegung des Ferienhauses ein Missverständnis: Kitty, deren Mutter für die Besitzerin des Hauses gearbeitet hat, war davon ausgegangen, dass sie für ihren Urlaub hier unterkommen könnte. Isabel entscheidet kurzerhand, dass sie dies auch kann und lädt die Fremde ein, in einem ungenutzten Schlafzimmer zu wohnen. Mitchell und Laura sind entsetzt, Joe fasziniert, Nina verwirrt – aber gegen Isabels Entscheidung würde sich ohnehin niemand stellen.

Von da an dreht sich der Urlaub aller um Kitty – sei es im Bemühen, ihr auszuweichen, in Spekulationen darüber, wer sie eigentlich ist und warum sie so gerne nackt herum läuft oder – im Falle von Nina und Joe – im Versuch, die zarte und eigenwillige Frau ein wenig kennenzulernen.


 

Gefühle, die das Leben bestimmen

Wie sich herausstellt ist das Aufeinandertreffen von Kitty und den Jacobs‘ nicht ganz zufällig. Joe, der als Dichter ein wenig Bekanntheit erlangt hat, erkennt sehr schnell, dass Kitty seine Gedichte bewundert und ihm von England aus in den Urlaub nachgereist ist, um ihm ihr eigenes Gedicht zu zeigen. Kitty ist davon überzeugt, dass sie in Joe eine verwandte Seele gefunden hat, denn sie empfindet nicht nur jedes von ihm geschriebene Wort als Botschaft an sich selbst, sondern hat auch Parallelen in ihrer beider Leben entdeckt. Vor allem die Tatsache, dass Joe wie sie selbst an Depressionen leidet, überzeugt sie davon, dass Joe genau verstehen muss, wie sie sich fühlt.

Also lässt Kitty Joe ihr Gedicht „Heim schwimmen“ zukommen, indem sie es unter seiner Schlafzimmertür hindurchschiebt. Und Kitty behält Recht mit ihrer Einschätzung von Joe: Das Bild von Kitty im Swimming Pool, ihre Zerbrechlichkeit und die Tatsache, dass sie ihre Anti-Depressiva abgesetzt hat, um endlich wieder traurig sein zu können, lassen für Joe keinen Zweifel daran, was sie mit „Heim schwimmen“ meint.

Doch vielleicht ist gerade Joe der Falsche, ihr zu helfen. Mit ihrer im Gedicht ausgedrückten Absicht, sich das Leben zu nehmen, ist er ganz offensichtlich überfordert, und die einzige Reaktion, die ihm einfällt, ist, vorzugeben, er hätte ihren Text noch nicht gelesen. Zudem fühlt er sich zu ihr hingezogen, vielleicht gerade weil Kitty das genaue Gegenteil seiner Frau und ihm selbst so ähnlich ist.

„Heim schwimmen“ ist ein tiefgründiger, faszinierender und sprachlich immer wieder überraschender Roman über die Veränderlichkeit von Beziehungen und über den alles umfassenden Einfluss von Depressionen auf Menschen, die eigentlich fest im Leben stehen.

2012 schaffe es „Heim schwimmen“ völlig zu Recht auf die Shortlist für den Man Booker Prize; auf Deutsch erscheint der Roman am 22.1.2013.

Infos zum Buch

Heim Schwimmen
(Swimming Home)
Deborah Levy
168 Seiten
Erstausgabe 2013


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