Paul Urbanski, Wilhelm Hausladen, Gerhard Landstorfer und Kurt Röper treffen am 25. Juli 2001 in einer Herz-Klinik aufeinander. Allen vieren steht eine Operation am Herzen unmittelbar bevor, und sie teilen ihre Geschichten miteinander.
Herz in Sicht zerfällt in zwei Teile, die Geschichten zweier dieser Herz-Patienten, die mehr gemein haben als die bevorstehende Operation.
Paul Urbanski, der Literatur-Kritiker, der eins über das schwarze Meer aus der DDR nach Hamburg geflohen ist, wird eines Tages von der Nachricht überrascht, dass das Dorf, das mittlerweile seine Heimat geworden ist, vom Meer umgeben ist. Was genau passiert ist, ob der Ort nun tatsächlich zur Insel Malimo wird oder nur eine vorübergehende Überflutung herrscht, bleibt unklar. Viel spannender ist ohnehin die Frage, wie die Neu-Inselbewohner mit der ungewöhnlichen Situation umgehen. Für Urbanski bedeutet die Ankunft des Meeres zunächst, dass seine Geliebte Nina ihn nun aus ganz pragmatischen Gründen doch nicht verlässt, wie sie es eigentlich vorhatte. Stattdessen lässt auch sie sich von Urbanski Episoden aus dessen Leben erzählen, und die spektakulärste, die auch den Bogen zu seinen Mit-Patienten schlägt, ist die eigenmächtige Inhaftierung des Major Conrad durch die mit Urbanski befreundete Familie Heinrich, deren Vater in der DDR unter dem Verhör-Spezialisten litt. Dieser Fall von Selbstjustiz fand nicht nur im Haus von Herz-Patient Landstorfer statt, sondern nimmt zudem eine zentrale Rolle in Herz in Sicht ein.
Herz in Sicht: DDR-Flucht, Meer und Herz-OP
Wilhelm Hausladen, durch seinen Namen der Hänselei der Mitschüler ausgesetzt und als Neunjähriger auf eigene Faust in den Westen geflohen, unterhält seit der Feststellung seiner Infertilität eine vertraute, aber gleichzeitig nicht ganz erklärbare Freundschaft zu seinem Andrologen, dem er in Briefen und bei den stets ans Absurde grenzenden Besuchen in sein Leben einbezieht. Während seine Frau ihn nach geglücktem Eingriff auf eine Garten-Reise auf dem Traumschiff entführt, arbeitet Hausladen weiter an seinem Lexikon der Zufälle.
Herz in Sicht besteht aus zwei großen Erzählsträngen, die auf den ersten Blick völlig unabhängig voneinander arbeiten, jedoch am Ende ineinander fließen. Der Roman besticht durch die Vielzahl seiner detailreichen Einfälle – Urbanski benutzt für seine Literaturkritiken den Rezensionscomputer EPHRAIM, Hausladen lässt sich auf der Kreuzfahrt die Menüs von seiner Frau, die im Hauptberuf Mezzo-Sopranistin ist, vorsingen, und Major Conrad begibt sich nach seiner Freilassung barfuß und im Bademantel in ein Café, um dort Schweineohren zu essen. Nahezu jede neue Figur, auch wenn sie nur ein Medikament auf einem Tablett ins Zimmer bringt, wird postmodern mit einer Fußnote und Hintergrundinformationen eingeführt.
Der ironische Tonfall und der immer wieder spielerische Umgang mit der Sprache machen Herz in Sicht zu einem besonderen Lesevergnügen.
Paul Urbanski öffnete das Fenster. Dohle grinste ihm ins Gesicht und ließ eine stattliche Bierfahne, mit etlichen Schnäpsen grob gemustert, in den Raum flattern.