Wenn man mich mal richtig langweilen will, sollte man ein Gespräch über Fußball oder über Bergsteigen anfangen. Natürlich gibt es Ausnahmen. WM-Spiele schaue ich mir schon mal an, und hin und wieder sogar ein EM-Spiel. Und wenn man mir ein Buch nachdrücklich mehrfach empfiehlt, bin ich auch bereit, eine Geschichte über Menschen, die auf einen Berg klettern, zu lesen.
Aufstieg in eisige Höhen
Eigentlich hätte dieses Buch etwas ganz anderes werden sollen, nämlich ein Bericht über die Kommerzialisierung des Mount Everest-Tourismus. Für die amerikanische Zeitschrift „Outside“ sollte der Journalist und Bergsteiger Jon Krakauer 1996 daher an einer kommerziellen Expedition zum Gipfel des Mount Everest teilnehmen. Die Kritik, die dabei an diesen kommerziellen Expeditionen geübt wird, betrifft vor allem die Tatsache, dass so auch unerfahrenen Bergsteigern die Möglichkeit eröffnet werden soll, den höchsten Berg der Welt zu besteigen. Hierdurch entsteht ein beträchtliches Risiko für Bergführer, Sherpas und alle Teilnehmer einer solchen Gruppe. Wie hoch dieses Risiko wirklich ist, erfuhr Jon Krakauer selbst, so dass aus dem geplanten Artikel ein ganzes Buch mit leider tragischem Inhalt wurde.
Während Jon Krakauer für seine Reportage recherchierte, befanden sich mehrere weitere zum Teil kommerzielle Expeditionen auf dem Mount Everest. Insgesamt 33 Bergsteiger waren in der Nacht zum 10. Mai 1996 auf dem Weg zum Gipfel. Nicht alle waren in der körperlichen Verfassung, die Gipfelbesteigung aus eigener Kraft zu schaffen, dennoch versuchten die Bergführer alles, ihren Kunden dies zu ermöglichen. So musste zusätzlicher Sauerstoff mitgeführt werden, die Last der Sherpas war höher und Bergführer und Bergsteiger waren weit später noch unterwegs, als dies vorgesehen war. Als man eigentlich längst zum Lager hätte umkehren müssen, wurden die Bergsteiger von einem plötzlichen Wetterumschwung überrascht. Insgesamt acht Menschen starben bei diesem Unglück, darunter auch erfahrene Bergführer, die nicht rechtzeitig umgekehrt waren. Dieses bis dahin größte Unglück am Mount Everest führte in der Folge dazu, dass die kommerziellen Expeditionsanbieter verstärkt in die Kritik gerieten.
Journalistischer Tatsachenbericht
„In eisige Höhen“ ist eine absolut spannende und lesenswerte Reportage, die sich nicht am Unglück oder den Ereignissen weidet, sondern versucht, die Gründe hierfür journalistisch aufzubereiten. Nicht nur das Unglück selbst ist Thema, sondern die Vorbereitung auf die Expedition, die Anstrengungen, die Einsamkeit und die völlige Emotionslosigkeit beim Erreichen des Gipfels. Dennoch bildet der Bericht über das Unglück den Kern der Reportage, und Jon Krakauer als Beteiligter räumt selbst ein, dass er zum Teil vielleicht einseitig berichtet. Nach Veröffentlichung des Buchs wurde er von anderen Beteiligten für seine Darstellung kritisiert. Der russische Bergsteiger Anatoli Bukrejew veröffentlichte daher seine eigene Sicht der Dinge unter dem Titel „Der Gipfel“. Dennoch ist Jon Krakauers Darstellung des Mount Everest-Unglücks die bekannteste geblieben, und „In eisige Höhen“ diente auch als Vorlage für die gleichnamige Verfilmung.
Infos zum Buch
In eisige Höhen (Into Thin Air)
Jon Krakauer
400 Seiten
Erstausgabe 1997
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