Home Rezensionen Deutscher Buchpreis unter der Lupe

Deutscher Buchpreis unter der Lupe

von Yvonne

Für Nelia Fehn kommt gerade alles zusammen, und zwar so, dass es schon terminlich kaum zu bewältigen ist. Ihr Großvater, bei dem sie nach dem Tod ihrer Mutter aufgewachsen ist, ist gestorben, und die Beerdigung liegt zeitgleich mit einem anderen einschneidenden Ereignis in ihrem Leben: der Preisverleihung für den Deutschen Buchpreis. Denn Nelia ist nominiert, und nicht nur das, sie ist mit gerade mal 20 Jahren die jüngste Autorin, der das je zuteil wurde. Gleich nach der Gedenkfeier muss sie sich von einer ihrer missgünstigen Tanten zum Flughafen bringen lassen, denn zugegen sein muss man schon bei der Preisverleihung, um überhaupt eine Chance zu haben. Froh, der nicht mehr ganz so gut auf sie zu sprechenden Familie – Nelias Roman über ihren griechischen Freund Marios kann durchaus als Schlüsselroman verstanden werden, in dem die Verwandtschaft nicht immer ganz so gut weg kommt, auch wenn sie nicht die Hauptrolle spielt – entflohen zu sein, macht Nelia sich mit 400 Euro und einer Buchung für nur eine Hotelübernachtung in der Tasche auf den Weg nach Frankfurt zur Buchmesse.

Vor Ort stellt sie sehr schnell fest, dass es – wie überall – auch in Frankfurt Etablierte und Außenseiter gibt. Zunächst beim Gang durch die weniger guten Viertel der Großstadt, später aber auch umgeben von Literatur-Größen: Wichtig ist und beachtet wird nur, wer Erfolg hat. Dabei manifestiert sich ihre Ausgegrenztheit durchaus auch körperlich: sie friert, weil sie nicht die richtige Kleidung dabei hat, findet als gesundheitsbewusste Vegetarierin nicht das richtige Essen und wird auch schon mal als junges Ding abgestempelt und für andere als ihre literarischen Qualitäten wert geschätzt.

Nachkommen: Zwischen Literaturbetrieb und Familiengeschichte

Nachkommen vereint eine Kritik am Literaturbetrieb – Marlene Streewuwitz stand 2011 bereits auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis – mit einer Geschichte der Ungleichheit, in der die junge und ziemich mittellose Protagonistin in einer aus Gegensätzen bestehenden Großstadt bittere Erfahrungen mit den Platzhirschen der Branche macht. Dabei fehlt ihr für die Ungerechtigkeit, die sie in Familie, Beruf und Gesellschaft umgibt, nicht selten die Worte: Die verknappten Sätze, die Auslassungen, die sich durch den ganzen Roman ziehen, spiegeln die Sprachlosigkeit einer verzweifelt um Gerechtigkeit Bemühten wider.

Nelia Fehns Roman ist übrigens mittlerweile tatsächlich erschienen, ebenfalls im Fischer Verlag und natürlich von Marlene Streeruwitz unter Pseudonym geschrieben. Für den Deutschen Buchpreis ist Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland nicht nominiert, aber dafür hat es Nachkommen auf die Longlist 2014 geschafft.

Das könnte dir auch gefallen:

Schreibe einen Kommentar

Diese Website nutzt Cookies. Ich gehe davon aus, dass du damit einverstanden bist, wenn du die Seite nutzt. Du kannst dich aber aktiv davon abmelden. Akzeptieren Mehr Informationen