Home Rezensionen Zwischen Märchen, Krimi und Gedicht

Zwischen Märchen, Krimi und Gedicht

von Yvonne

Der Simeliberg spielt einerseits die Hauptrolle in einem nicht allzu bekannten Märchen der Brüder Grimm, das stark an Ali Baba erinnert, andererseits handelt das älteste bekannte Schweizer Volkslied – das Guggisberglied – von diesem Berg. Das melancholische Lied trifft ziemlich die düstere Stimmung von Michael Fehrs zweitem Roman, in dem die Landschaft der Schweiz nicht idyllisch-anheimelnd, sondern versumpft-dreckig daher kommt, mit Bergen, auf denen man nicht herumlaufen kann, ohne sich Schuhe, Anzug und Landrover zu ruinieren.

In diesem Landrover, der auf den wenigen Seiten des Romans zumindest der Anzahl der Nennungen nach eine der Hauptrollen spielt, fährt Anatol Griese, Halb-Schweizer, der seines deutschen Vaters wegen und der eigenen Stellung als Gemeindsvorsteher zum Trotz nie ganz im Dorf angekommen und angenommen ist. Trotzdem ist er es, der losgeschickt wird, um den alten Schwarz aus seinem „Loch“ zu holen, einem in versumpftem Gebiet gebautes Haus, das dieser mit seiner Frau bewohnt. Letztere wurde jedoch schon lange nicht mehr im Ort gesehen, so dass die Vermutung zwar nicht nahe liegt, aber doch aufkommt, Schwarz habe seine Gattin getötet und verschwinden lassen. Griese bringt Schwarz zur Sozialhilfe-Behörde, wo er ihn einer Frau Weiß übergeben wird. Unterwegs hört er sich jedoch allerhand krudes Zeug an, von einer Gesellschaft der Starken, die Schwarz gründen will, von den Möglichkeiten einer Reise zum Mars und von dem vielen Geld, das Schwarz – woher auch immer – gehortet hat.

Simeliberg: Verbrechen zwischen Schwarz und Weiß

Ein Roman wie Simeliberg kommt einem nur sehr selten unter: Wie das Guggisberglied in Versform, ohne Punkt und Komma (tatsächlich – die einzigen Satzzeichen des Buchs sind Anführungszeichen) erzählt Michael Fehr von einer Sub-Geseelschaft in den Schweizer Bergen, die so undurchsichtig ist, dass die Geschichten über Herrn Schwarz, Frau Weiß und die Fantasien vom roten Planeten fast realistisch erscheinen. Der Kriminalfall, der im Roman geschildert wird, ist dabei so spannend wie wirr, und das Glossar, das dem Büchlein für alle Nicht-Schweizer beigefügt ist, hilft zwar dabei, ein paar Begrifflichkeiten zu klären, trägt aber natürlich nichts dazu bei, das Buch in eine greifbar-machende Kategorie einzuordnen.

So bleibt Simeliberg eine packende Geschichte, die man in dieser Art und vor allem in dieser Form sicher nicht noch einmal findet – ein faszinierendes Stück Literatur, das aus einem Krimi (fast) ein Gedicht macht.

Michael Fehr gewann mit der Lesung eines Auszugs aus Simeliberg 2014 den Kelag-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb.

Das könnte dir auch gefallen:

Schreibe einen Kommentar

Diese Website nutzt Cookies. Ich gehe davon aus, dass du damit einverstanden bist, wenn du die Seite nutzt. Du kannst dich aber aktiv davon abmelden. Akzeptieren Mehr Informationen