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Sommer des Lebens (J. M. Coetzee)

von Yvonne
Sommer des Lebens

Cover zu „Sommer des Lebens“

Macht sich ein Schriftsteller daran, einmal keinen Roman, sondern seine eigene Lebensgeschichte zu verfassen, ist die Versuchung groß, nachzuspüren, wo die Wahrheit aufhört und die Dichtung beginnt. Solche ohnehin müßigen Fragen stellen sich bei J. M. Coetzees Roman „Sommer des Lebens“ gar nicht erst. Zwar handelt dieser vom Leben des Literatur-Nobelpreisträgers, doch dass es sich bei dem Buch um eine fiktionalisierte Autobiographie handelt, wird schnell klar, denn seinen Biographen hat Coetzee gleich mit erdacht.

 

Recherchen für ein Buch-Projekt

Der junge Journalist Mister Vincent recherchiert für eine Veröffentlichung über den (natürlich nur im Buch) kürzlich verstorbenen Coetzee. Hierbei stützt er sich auf einige wenige Tagebucheinträge Coetzees, aber vor allem auf Interviews mit einer Handvoll Personen, die den Schriftsteller kannten, bevor er mit dem Schreiben Erfolg hatte.

Das Bild, das sich von John, wie ihn die ehemalige Geliebte, seine Cousine und Kollegen nannten, ergibt, ist nicht allzu positiv: Ein verschlossener Mann um die Dreißig – also im „Sommer des Lebens“ -, der erfolglos und wohl auch im Konflikt mit dem Gesetz aus den USA zurück in seine Heimat nach Südafrika gekehrt ist und nun mit seinem Vater mehr schlecht als recht in der Nähe von Kapstadt lebt. Die Verwandten schütteln den Kopf, eine Affäre mit einer verheirateten Frau verläuft recht bald im Sande und statt sich dem Schreiben zu widmen, gibt er Englisch-Nachhilfestunden oder verrichtet vor dem Haus seines Vaters körperliche Arbeiten wie das Betonieren des Hofs. Vor allem aber passt er immer wieder nicht dazu und eckt an: weder in der Familie, noch bei der Arbeit oder in der Nachbarschaft.


Selbstkritische Sicht des eigenen Lebens

„Sommer des Lebens“ ist keineswegs eine Lobeshymne auf die eigenen literarischen Erfolge, sondern vor allem die Geschichte eines angehenden Künstlers, der vor dem Hintergrund der südafrikanischen Gesellschaft der 1970er Jahre mit seinen Mitmenschen und sich selbst hadert.

Gerade die ungewöhnliche Perspektive, in der Coetzee andere „Beteiligte“ seine Biographie erzählen lässt, macht das Buch besonders authentisch, obwohl man nie genau weiß, was nund Dichtung und was Wahrheit ist. Wenn man liest, was diese „anderen“ – und somit der Autor selbst – über Coetzee schreiben, erstaunt es einen, wie selbstkritisch und reflektiert das Bild der eigenen Person ist. Manche der zu Wort kommenden Damen lassen kein gutes Haar an dem jungen Mann, der Coetzee einmal war, und so richtig traurig, dass er nun tot ist, scheint niemand zu sein.

Nach „Der Junge“ und „Die jungen Jahre“ bildet „Sommer des Lebens“ den letzten Teil einer autobiographisch geprägten Trilogie, den man aber auch genießen kann, ohne die beiden anderen Bücher zu kennen. Wie andere Bücher von J.M. Coetzee ist auch „Sommer des Lebens“ angenehm leicht zu lesen. Coetzee wurde 2003 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet; „Sommer des Lebens“ stand 2009 auf der Shortlist für den Man Booker Prize.

Infos zum Buch

Sommer des Lebens
(Summertime)
J.M. Coetzee
295 Seiten
Erstausgabe 2010

 

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