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Soutines letzte Fahrt (Ralph Dutli)

von Yvonne
Cover "Soutines letzte Fahrt" (Ralph Dütli)

Cover „Soutines letzte Fahrt“ (Ralph Dütli)

Chinon, Frankreich; im August 1943: der Maler Chaim Soutine kann vor Schmerzen nicht mehr klar denken. Das Magengeschwür, das ihn bereits seit Jahren plagt, ist aufgebrochen, und alles, was sein Leben noch verlängern kann, ist eine Not-Operation. Marie-Berthe Aurenche, von ihrem Lebensgefährten Soutine nur Ma-Be genannt, entscheidet, dass das Krankenhaus in Chinon nicht der richtige Ort für die Operation ist und Soutine daher ins knapp 300 km entfernte Paris muss, um dort die beste ärztliche Hilfe zu bekommen. Doch das ist nicht so einfach, denn Soutine ist Jude und Frankreich längst von den Deutschen besetzt. Zur Tarnung des Transports wird Soutine daher in einen Leichenwagen verfrachtet, der den kranken Künstler auf einer scheinbar endlosen Fahrt über Schleichwege in die Hauptstadt bringt.

Während dieser Fahrt versorgt Marie-Berthe den Maler mit Morphin, damit er die Schmerzen aushalten kann. Dieses Morphin lässt Soutine in einen Dämmerzustand gleiten, in dem Vorstellung, Erinnerung und Realität miteinander verschmelzen. Noch einmal erlebt Soutine, der in den letzten Jahren schon gar nicht mehr gemalt, sondern nur noch seine Kunstwerke zerstört hat, sein Leben, trifft die Menschen, die ihn beeinflusst haben, und durchlebt die Situationen, die ihn am Ende in einen Leichenwagen auf dem Weg nach Paris gebracht haben.


 

Roman über ein Künstlerleben

Diese einzelnen Stationen seines Lebens, die Soutine während der Fahrt im Leichenwagen vor Augen hat, zeichnen sich immer wieder dadurch aus, dass da einer war, der nicht dazu gehörte. Egal ob während seiner Kindheit in der Nähe von Minsk, wo er sich den Zorn und die Schläge seiner Brüder und der Söhne des Rabbis auf sich zog, weil diese nicht dulden konnten, dass Soutine bereits als Kind seine Welt malend formte, oder später in Paris in der Künstlerkolonie „La Ruche“, wo er kaum einen Galeristen von seinen Kunstwerken überzeugen konnte – Soutine erscheint im Rückblick seines Lebens immer als der Schweigsame, Egoistische, der am Rand steht und nicht verstanden wird.

„Soutines letzte Fahrt“ erzählt nicht nur spannend und unglaublich detailreich das Leben des Künstlers Chaim Soutine, der letztlich bei der Operation in Paris starb, sondern er gewährt authentische und nachfühlbare Einblicke in das emotionale Leben eines Künstlers, in die Gedanken, die ihn antreiben und zur Kunst bewegen, die nicht als Betätigung zur Selbstverwirklichung, sondern als Imperativ des eigenen Lebens, der eigenen Person betrieben wird: Für Soutine geht kein Weg an der Kunst vorbei, und selbst die Zerstörung der eigenen Bilder scheint am Ende nur konsequent. Parallel zum Leben des Künstlers zeichnet Dutli ein Bild des sich ausbreitenden Nationalsozialismus in Europa, der Soutine als Künstler jüdischer Herkunft gleich doppelt betrifft.

„Soutines letzte Fahrt“ ist Ralph Dutlis erster Roman. Zuvor veröffentlichte er vor allem Gedichtbände und Essays, was man „Soutines letzte Fahrt“ sowohl sprachlich anmerkt als auch bezüglich der genau recherchierten Details über das Leben Soutines.

„Soutines letzte Fahrt“ wurde mit dem Rheingau Literaturpreis 2013 ausgezeichnet und ist für den Deutschen Buchpreis 2013 nominiert.

Infos zum Buch

Soutines letzte Fahrt
Ralph Dutli
270 Seiten
Erstausgabe 2013


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