Es ist schon lange her, dass bei den Kaans etwas passiert ist. Im Juni 1969 kam die Königin zu Besuch in den Norden der Niederlande, und das ganze Dorf war auf den Beinen. Die Söhne der Familie Kaan beobachteten die zu Ehren der Königin veranstaltete Parade, und Mutter Anna gelang es durch Zufall, gemeinsam mit dem zweijährigen Töchterchen Hanne zur Königin persönlich vorgelassen zu werden – die dann auch noch Hannes Wange streichelte. Vater Zeeger trieb derweil den Ausbau des Bauernhofs voran, und man blickte zuversichtlich in die Zukunft.
Schwelgen in Erinnerungen an bessere Zeiten
Fast vierzig Jahre später, wieder im Juni, trifft man sich zur goldenen Hochzeit der Eltern, die mit dem ältesten Sohn und der Enkelin immer noch auf dem Hof leben. Doch vom alten Optimismus ist nicht mehr viel übrig. Von der Rinderherde von damals ist nur ein Stier geblieben, der Sohn ist verschuldet, das Gut steht kurz vorm Verkauf. Und Bäuerin Anna, mittlerweile über siebzig, zieht sich nach der Feier zum wiederholten Male vor der Familie auf den Heuboden im Stall zurück. Versorgt mit Eierlikör, Wasser und ein wenig zu Essen schmollt sie und gibt sich ihren Erinnerungen hin.
In Rückblenden erfährt man, dass der Besuch der Königin nicht alles war, was an jenem 17. Juni geschah, sondern dass dieser Tag einen besonderen und tragischen Wendepunkt für die gesamte Familie darstellte, der am heutigen Tag noch Einfluss auf alle Familienmitglieder hat. Alle direkt oder indirekt Betroffenen lässt Gerbrand Bakker zu Wort kommen, auch die fünfjährige Enkelin Dieke, die noch nicht alles versteht und gerade deshalb besonders unvoreingenommen und genau beobachtet. Ein großer Teil der Erinnerungen kann nur noch bruchstückhaft abgerufen werden, und einiges bleibt angedeutet. So manche Wege kreuzen sich nach fast vierzig Jahren zum zweiten Mal, und vieles, was im Jahr 1969 begann, geht zu Ende.
„Tage im Juni“, das in der gebundenen Ausgabe noch wie das niederländische Original „Juni“ hieß, ist ein schlichtes Buch über das Erinnern, über Verlust, Familie und auch Liebe, in dem die lakonische Sprache des Autors die schnörkellose Realität der Bauernfamilie widerspiegelt. In wichtigen Gesichtspunkten – Schauplatz, Stil, grundlegende Thematik – erinnert „Tage im Juni“ an „Oben ist es still“, Bakkers vorherigen Roman, schafft es jedoch leicht, mehr als ein einfacher Aufguss zu sein. Und obwohl die Hauptfiguren über die Zeit vieles verloren haben, bleibt am Ende ein Funke Zuversicht.
Infos zum Buch
Tage im Juni (Juni)
Gerbrand Bakker
303 Seiten
Erstausgabe 2009 (dt. 2010)
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