Subhash und Udayan sehen sich so ähnlich, dass sie gelernt haben, zu antworten, wenn der andere gerufen wird, weil sie ohnehin ständig verwechselt werden. Ihr Temperament und ihr Charakter könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein. Subhash ist ängstlich, ernsthaft und fühlt sich seinen Eltern verpflichtet, während sein 15 Monate jüngerer Bruder wild, unbekümmert und kaum zu bändigen ist. Dennoch oder gerade deswegen fühlen sich die beiden ihre gesamte Kindheit im Kalkutta der 1950er Jahre hindurch nah wie Zwillinge. Die Ideen für ihre Unternehmungen – wie zum Beispiel ein nächtlicher Einbruch im ausschließlich für Weiße errichteten Golfclub – stammen von Udayan, die Verantwortung dafür übernimmt notfalls Subhash. Bis sie die Schule abgeschlossen haben, verbringen die Brüder jede Minute miteinander, anschließend, als sie es als einzige in ihrem Viertel an angesehene Universitäten schaffen, trennen sich ihre Wege zum ersten Mal. Udayan schließt sich einer extremen Kommunistengruppierung, den Naxaliten, an, die eine Revolution in Indien herbeiführen will. Während Subhash anfangs noch aus Liebe zu seinem Bruder zu Treffen mitgeht, wird ihm das ganze Anliegen bald zu radikal, und zum ersten Mal in seinem Leben trifft er eine Entscheidung wirklich eigenständig, ohne und im Grunde auch gegen seinen Bruder.
The Lowland: Konsequenzen der eigenen Handlungen
Es bleibt nicht die letzte Entscheidung, die Subhash nicht im Sinne Udayans trifft: Ausgerechnet in den USA, dem erklärten Feind des Kommunismus, bewirbt sich Subhash – erfolgreich – um ein Forschungsstipendium. Die Kommunikationsmöglichkeiten nach seiner Auswanderung sind rar, die Briefe, die die beiden sich schreiben, könnten gelesen werden, und so wird aus dem einstmals innigen Verhältnis der Brüder ein distanziertes. Die Wahl, die sie jeweils für sich getroffen hat, bleibt nicht ohne Konsequenzen. Udayan stirbt für seine Überzeugung, und Subhash bleibt mit dem Gefühl zurück, seinen Bruder im Stich gelassen zu haben.
„The Lowland“ handelt von der Geschichte zweier ungleicher Brüder, die sich trotz ihrer Verschiedenheit eng verbunden fühlen, und davon, dass man für seine Entscheidungen am Ende die Verantwortung übernehmen muss. Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund der Naxaliten-Bewegung, die in den 1960er Jahren maoistische Ideologie in Indien einbringen wollte. Die historische Darstellung dieser Bewegung sowie die politische Auseinandersetzung damit ist das, was „The Lowland“ lesenswert macht. Der Sprachstil von Jhumpa Lahiri ist auffallend klar und schnörkellos, was aber manchmal dazu führt, dass die Sätze einfach nur unverbunden nebeneinander stehen und „The Lowland“ stellenweise trotz seiner Kürze langatmig wird.
Jhumpa Lahiri gilt als eine der wichtigsten englischsprachigen Schriftstellerinnen ihrer Generation. Sie selbst wurde in London als Tochter bengalischer Einwanderer geboren und wanderte mit den Eltern als Kind in die USA aus. Ihre erste Kurzgeschichtensammlung wurde 1999 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. „The Lowland“ ist ihr zweiter Roman.
„The Lowland“ ist für den Man Booker Prize 2013 nominiert.
Infos zum Buch
The Lowland
Jhumpa Lahiri
339 Seiten
Erstausgabe 2013
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