Dass Alma – Hauptfigur in T.C. Boyles neuem Roman „Wenn das Schlachten vorbei ist“ – einen besonderen Respekt vor der Natur hat, ist ihr quasi in die Wiege gelegt worden: Ihre Großmutter Beverly erlitt als junge Frau Schiffbruch, den sie als einzige überlebte, indem sie sich auf eine der vor Kalifornien liegenden Channel Islands – Anacapa – rettete. Gerade diese Insel liegt Alma nun besonders am Herzen, und so ist es kein Wunder, dass sie eine Stelle als Pressesprecherin beim Channel Island National Park angenommen hat. Etliche Tier- und Pflanzenarten, die es auf den Channel Islands gibt, kann man an keinem anderen Ort der Welt finden, und so hat es sich der National Park Service zur Aufgabe gemacht, die Inseln besonders zu schützen.
Wenn das Schlachten vorbei ist… geht es weiter
Die größte Bedrohung für das Gleichgewicht der Insel geht von Ratten aus, die der Mensch eingeschleppt hat. Und so beschließt man, diesen Fehler zu „korrigieren“, indem man die Ratten tötet. Gift wird gestreut – mit Unterstützung von Steuergeldern und gegen den Protest einer Gruppe extremer Umweltschützer um den reichen Ex-Unternehmer Dave LaJoy. Credo dieser Gruppe ist es, dass selbst der Schutz von aussterbenden Tierarten nicht das Töten anderer Tiere rechtfertigt, wie unbeliebt diese im Fall der Ratten auch sein mögen.
Alma hat mit Anfeindungen zu kämpfen, doch schafft sie es, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Vergiftungsaktion zum Wohle des Ökosystems der Channel Islands stattfindet. Schwieriger wird es, als man nach erfolgreicher Rattenvernichtung zur nächsten Insel geht und dort Wildschweine jagen will, die die Flora und Fauna bedrohen.
Endlose Kette des Eingreifens
Im Grunde sind Dave und Alma sich in ihren Zielen einig: Beide wollen den Einfluss des Menschen auf die Natur so gering wie möglich halten. Doch während Alma glaubt, dass man die Natur wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzen
kann, ist Dave davon überzeugt, dass man nur einen weiteren Fehler begeht, wenn man wieder eingreift, und man nicht absehen kann, welche Folgen dieses Mal hieraus hervorgehen werden. Und diese Folgen könnten wieder als Rechtfertigung für einen Eingriff herangezogen werden.
Ein toll geschriebenes und sehr nachdenklich stimmendes Buch, denn man kann an sich keiner der beiden Parteien absprechen Recht zu haben (oder Unrecht). Hat der Mensch wirklich das Recht, sich die Natur anzueignen, wie er es nun mal tut? Und ist es überhaupt möglich, davon Abstand zu nehmen? Alle Protagonisten des Buchs sind überzeugte Umweltschützer, und selbst sie weichen nicht davon ab, dass sie die einzigen sind, die wissen, was mit diesem Planeten getan werden muss – oder nicht.
Auch, wenn „Wenn das Schlachten vorbei ist“ sich – wie alles, was ich von Boyle bisher in die Finger bekommen habe – toll lesen lässt, hat es vor allem im zweiten Teil einige Längen. Davon sollte man sich jedoch nicht abhalten lassen, denn es lohnt sich in jedem Fall, das Buch bis zum Ende zu lesen. Vor allem der Konflikt zwischen Gruppierungen, die eigentlich die gleichen Ziele verfolgen, sich aber uneins über die Mittel sind, die hierfür eingesetzt werden dürfen, macht die Geschichte lesenswert.
Infos zum Buch
Wenn das Schlachten vorbei ist (When the killing’s done)
T.C. Boyle
464 Seiten
Erstausgabe 2012 (Carl Hanser Verlag)
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