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The Wind through the Keyhole (Stephen King)

von Yvonne
Wind

Cover zu „Wind“

Die Erwartungen waren hoch: Seit ich gehört hatte, dass es einen achten Band zu Stephen Kings Reihe „Der dunkle Turm“ geben würde, fieberte ich der Veröffentlichung von „Wind“ (im Original „The Wind through the Keyhole“ – und das habe ich gelesen) entgegen. Im Deutschen wird dieses Buch erst im September erscheinen, ist aber jetzt bereits vorbestellbar. Das englische Original ist ebenfalls gut lesbar, und wer wie ich nicht warten kann, „Der dunkle Turm 8“ zu lesen, ist damit sicher gut beraten.

Der dunkle Turm 4,5

„Wind“ ist von der Handlung her zwischen Band 4 („Glas“) und Band 5 („Wolfsmond“) angesiedelt, und das gleich doppelt. In „Glas“ gab es zwei Erzählstränge: Zum einen führte die Haupthandlung den Revolvermann Roland Deschain und seine Begleiter auf der Suche nach dem dunklen Turm zum Grünen Glaspalast, den sie hinter sich ließen, um (in „Wolfsmond“) nach Donnerschlag weiterzuziehen. Zum anderen erfuhr man in einer Art langer Rückblende von Rolands erster großer Liebe, die er in Mejis fand und verlor.

Suche nach dem „Skin-Man“

„Wind“ knüpft an beide Erzählungen an. Roland und seine Freunde befinden sich auf dem Weg nach Donnerschlag, als alle Zeichen darauf hindeuten, dass es einen ungeheuren Sturm geben wird, einen von der Sorte, die es nur alle paar Jahre oder Jahrzehnte gibt, und vor denen man dringend Unterschlupf suchen muss. Um die Nacht im Sturm besser zu überstehen, erzählt Roland seinen Gefährten eine Geschichte aus seiner Jugend, die ungefähr da anfängt, wo „Glas“ aufhört. In dieser Erzählung werden Roland und sein Freund Jamie von Rolands Vater nach Debaria geschickt, wo sie dabei helfen sollen, einen „Skin-Man“ zu fangen, der die Form verschiedener Tiere  annehmen kann und in solcher Gestalt etliche Morde in der Gegend um Debaria begangen hat.

Während die beiden jungen Revolvermänner ihre erste Nacht in Debaria verbringen, schlägt der Skin-Man erneut zu: Vor den Augen des kleinen Bill tötet er den Besitzer der Jefferson-Farm, seine Familie und alle Hilfsarbeiter. Bill kann sich verstecken und erhascht einen Blick auf den Knöchel des Mörders, nachdem dieser wieder seine menschliche Form angenommen hat. Roland beschließt, diese Information – und damit Bill – als Köder zu benutzen, um den Skin-Man zu enttarnen. Um Bill ein wenig die Angst zu nehmen, erzählt Roland ihm eine Geschichte, die ihm seine Mutter immer vorgelesen hat, als er noch ein Kind war: „The Wind through the Keyhole“.

Märchenhafte Erzählung aus Gilead

Diese Erzählung bildet den Hauptteil von „The Wind through the Keyhole“ – wie der Titel ja auch schon vermuten lässt. In ihr geht es nicht um Roland und seine Suche nach dem dunklen Turm, sie ist allerdings in der Welt von Gilead angesiedelt. Tim lebt mit seinen Eltern am Rande des Endlosen Waldes. Sein Vater ist Waldarbeiter und zieht jeden Tag mit seinen Kollegen los, um die wertvollen Bäume des Waldes zu fällen. Doch eines Tages kehrt er nicht mehr zurück – sein Kollege und bester Freund Bern Kells berichtet, dass ein Drache ihn getötet hat. Tim und seine Mutter Nell stürzen in Trauer, doch außerdem plagen sie nun auch noch weltliche Sorgen. Der Steuereintreiber wird bald kommen, und ohne Ernährer wird man sie aus dem Haus werfen und sie werden das Dorf verlassen müssen. Bern, der Nell schon als Jugendlicher liebte, bietet seine Hilfe an, indem er ihr einen Heiratsantrag macht. Somit ist die erste Gefahr abgewendet, doch natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Tim und seine Mutter müssen noch viel Leid erfahren und Tim manches Abenteuer bestehen, bevor diese Geschichte endet. Bei einem dieser Abenteuer gerät Tim in einen Sturm wie den, in dem Roland und seine Gefährten festsitzen. Aus diesem Sturm und Tims Gedanken darüber, dass die Zeit wie ein Wind durchs Schlüsselloch pfeift, stammt der Titel „The Wind through the Keyhole“.

Die Rahmenhandlung einer Rahmenhandlung

Obwohl die Hauptgeschichte in „The Wind through the Keyhole“ in Rolands Welt spielt und auch schon mal Andeutungen auf den dunklen Turm und Revolvermänner gemacht werden, erfährt man nichts wirklich Neues über die Suche nach dem dunklen Turm – sie ist im Grunde nur die Rahmenhandlung einer Rahmenhandlung. Vieles an dieser „äußersten“ Geschichte, in der Roland, Eddie, Susannah, Jake und Oy vor dem Sturm fliehen, wirkt auch so, als ob es nur geschrieben worden wäre, um Leser, die die Turm-Reihe nicht kennen, auf den nötigsten Stand zu bringen. Das ist schade, denn es gibt natürlich noch einige offene Fragen in der Turm-Saga, und die ein oder andere hätte ruhig beantwortet werden können.

Die zweite Geschichte in Debaria, in der Roland als Ich-Erzähler auftritt, ist meiner Meinung nach die für Turm-Fans schönste Geschichte, weil man ein wenig mehr über Roland in seiner Jugendzeit erfährt und die Geschichte relativ fließend an die unglaublich schöne Erzählung aus „Glas“ anknüpft. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es, Roland als Ich-Erzähler anzunehmen, da er die ganze Reihe hindurch als sehr wortkarg beschrieben wird und nun aus dem Erzählen nicht mehr herauskommt. King löst dieses Problem ganz pragmatisch, indem er eine der Figuren am Ende sagen lässt, dass Roland wohl doch nicht so schweigsam ist.

Die eigentliche Geschichte „The Wind through the Keyhole“ um Tim und seine Mutter ist ein schönes Märchen, aber es ist für mich – trotz der sichtbaren Einbindung und der Anspielungen auf und Parallelen zu anderen Turm-Geschichten – kein wirklicher Teil der Saga. Natürlich erfährt man hier etwas über Rolands Welt, aber wenn ich es mir hätte aussuchen können, hätte ich am liebsten noch mehr über Roland erfahren – und das ist am ehesten in der zweiten Geschichte der Fall.

Nicht ganz der Turm

Es ist sicher schwierig, eine Welt wieder zu besuchen, die man für vergangen hielt. Das gilt für Stephen King wahrscheinlich genau so wie für alle Leser, mich eingeschlossen. Und trotzdem macht man es gerne, vor allem, wenn man in dieser Welt eine wirklich tolle Zeit verbracht hat. Allerdings hat mir „The Wind through the Keyhole“ recht deutlich vor Augen geführt, dass die Turm-Saga vorher abgeschlossen war und keine Ergänzung brauchte.

Beim Lesen habe ich mich ein bisschen gefühlt, als hätte ich eine alte Jugendliebe wiedergetroffen. Das ist aufregend und man freut sich und, klar, man teilt ein Stück seiner Geschichte. Und vielleicht lässt ein Zwinkern oder dieses ganz bestimmte Lächeln nicht nur Erinnerungen, sondern durch die Jahre gedämpfte Gefühle aufkommen. Aber deswegen ist man noch lange nicht wieder 15. Und gerade die gemeinsame Vergangenheit, die man hat, macht es einem sehr schwer, das Hier und Jetzt nur für sich zu betrachten. „The Wind through the Keyhole“ ist eine gut erzählte Geschichte, die auf allen Zeitebenen zusammenhängt, Querverbindungen zu den anderen Turm-Büchern hat und für sich genommen Spaß macht. Auch der Stil ist so, wie man das aus der Turm-Reihe gewohnt ist. Aber dennoch löst „The Wind through the Keyhole“ bei mir doch eher Nostalgie und Erinnerungen an die „richtigen“ Turm-Bücher aus als das Gefühl, hier wirklich eine Ergänzung gefunden zu haben.

Das heißt nicht, dass ich davon abrate, „The Wind through the Keyhole“ zu lesen, wenn man ein Fan von Roland und vom dunklen Turm ist. Es ist keinesfalls schlecht. Aber man muss auch nicht alles stehen und liegen lassen, um sofort dieses eine Buch zu lesen.

Und so bleibt „The Wind through the Keyhole“ für mich eher „Der dunkle Turm 8“ als „Der dunkle Turm 4,5“. Es gehört irgendwie dazu, und es ist schön, es zu lesen, aber es reicht völlig, das zu tun, nachdem man die anderen sieben Bände durch hat. Vielleicht sogar ein zweites Mal.

Infos zum Buch

Wind (The Wind through the Keyhole)
Stephen King
450 Seiten
Erscheint am 10. September 2012 im Heyne Verlag

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