Es mutet an wie eine längst vergangene Zeit, die Welt von Anton Winter, der mit seinem Bruder in einer Garten-Kolonie aufwächst, in der Entstehen und Vergehen stets präsent und miteinander im Einklang sind. Winters Garten heißt sein Zuhause, und man braucht eine Weile, um zu verstehen, dass diese Welt in der Zukunft liegt, der Untergang der Idylle noch bevorsteht. Gegründet von Aussteigern aus der Stadt, die Hoffnung auf eine andere, bessere Art des Lebens hatten, ist die naturverbundene Gemeinschaft eine Art Paradies – aus der Anton sich als Erwachsener selbst vertreibt.
Seinen Leben bestreitet er durch das Züchten von Vögeln, und im vollkommenen Kontrast zu seiner Heimat steht die Penthouse-Wohnung, in der er sich niedergelassen hat. Die Stadt hat den Namen schon kaum noch verdient, ist verlassen und auf dem besten Weg, wieder von der Natur eingenommen zu werden. Kinder werden kaum noch geboren, Beziehungen gibt es wenige, und Massen-Selbstmord ist an der Tagesordnung. Das Ende der Welt steht ja ohnehin bevor. Als Anton sich mit mittlerweile 42 Jahren schließlich das erste Mal verliebt, bringt diese Beziehung jedoch ein wenig Hoffnung in die Trostlosigkeit einer dem Untergang geweihten Welt.
Winters Garten: Idylle zwischen Entstehen und Vergehen
Winters Garten besticht in erster Linie durch seine Sprache, durch Bilder, die zunächst eine üppige Natur-Welt in Antons Elternhaus und später dann eine zerfallende Stadt vor dem geistigen Auge entstehen lässt. Die Beobachtungen sind stets genau und teilweise morbide, die Bilder treffend und poetisch. Das kurze Buch fesselt einen damit und lässt teilweise die eigentliche Handlung in den Hintergrund treten. Doch auch diese zugegebenermaßen sehr kurze Geschichte nimmt einen für den Roman ein: Es ist die Erzählung von einem Leben im Einklang mit Natur und anderen Menschen, dessen einzige Alternative die Vereinsamung in der Stadt ist. Bezeichnend ist, dass Massen-Selbstmorde zum gesellschaftlichen Ereignis werden: Wenn man sonst schon keine Verbindung zu anderen Menschen herstellen kann, dann doch wenigstens im Tod.
Eine besondere Rolle spielen auch Tiere in Winters Garten, die sich gar nicht so unähnlich den Menschen verhalten und orientierungslos in einer Welt leben, die nicht mehr die ihre ist.
Als er die Vögel, nur wenige Stunden bevor sie die Stadt verließen, freigelassen hatte, waren sie entgeistert in den offenen Türchen der Volieren gehockt. Kaum einer war davongeflogen, aber wacklig sitzengeblieben vor einer Welt, die nicht mehr sorgfältig von den Linien der Gitterstäbe in Schach gehalten wurde. Als hätte man ihnen die Freiheit wie eine Last um den Hals gehängt.
Winters Garten ist für den Deutschen Buchpreis 2015 (Longlist) nominiert.