Ihre Freunde heißen Bastard, Godknows und Fraction, ihr Zuhause Paradise und sie selbst Darling. Und auch wenn manche Namen mehr sind als nur reine Bezeichnungen, ist zumindest der Name „Paradise“ der reinste Euphemismus. Die Siedlung in Simbabwe, die diesen Namen trägt, besteht aus Wellblechhütten, die Männer haben den Ort verlassen, um in Diamant- oder Goldminen wenigstens etwas Geld zu verdienen, Lehrer gibt es längst nicht mehr, und die Hilfsorganisationen kommen auch nur noch unregelmäßig vorbei und machen erst mal ausgiebig Fotos von den Kindern, bevor sie T-Shirts mit Google-Aufdruck verteilen.
Für die zehnjährige Darling ist dies alles normaler Alltag, seit sie mit ihren Eltern aus ihrem Haus vertrieben wurde. Sie zieht täglich mit ihren Freunden ins benachbarte Budapest, wo reiche Afrikaner leben, und stiehlt Guaven, denkt sich neue Spiele aus, die meist mit Ländern und ihren Beziehungen zueinander zu tun haben und rätselt darüber, wie ihre Freundin Chipo, die gerade mal ein Jahr älter ist als Darling, schwanger werden konnte und was man dagegen tun kann – irgendwas mit einem Kleiderbügel.
Blick in eine andere Welt durch die Augen einer Zehnjährigen in Wir brauchen neue Namen
Darlings Vater hat die Familie vor einigen Jahren in Richtung Südafrika verlassen, um dort zu arbeiten. Nachdem Darlings Mutter kaum noch ein Lebenszeichen von ihrem Mann erhielt, steht er nun plötzlich wieder vor der Tür: Er ist an AIDS erkrankt und zum Sterben nach Hause gekommen. Während Darling versucht, vor den Freunden geheim zu halten, dass ihr Vater DIE KRANKHEIT hat, wird das Land durch Rebellenstreifzüge erschüttert, die ihre Wut auf die Ungerechtigkeiten der letzten Jahrzehnte an weißen Einwanderern und allen anderen, die sich ihnen in den Weg stellen, auslassen.
Für Darling ist jedoch ohnehin klar, dass sie ihr Leben nicht in Simbabwe verbringen wird. Ihre Tante hat es vor ein paar Jahren geschafft, nach „Destroyedmychigan“ auszuwandern, und für die Zehnjährige ist klar, dass sie folgen wird, sobald die Tante sich eingerichtet hat. Erstaunlicherweise ist dies ein Traum, der in Erfüllung geht, doch für Darling bedeutet die Einwanderung ins Land ihrer Träume auch eine große Ernüchterung, denn auch wenn Paradise alles andere als ein Paradies war, war Darling dort zumindest keine Fremde.
Wir brauchen neue Namen erzählt zum einen die Geschichte von Darling, wie sie in den Elendsvierteln von Simbabwe aufwächst und die größten Ungeheuerlichkeiten als ganz normal empfindet, einfach, weil sie nichts anderes kennt. Gerade diese Sichtweise durch die Augen eines Kinds macht die Dinge, die Darling erlebt, teilweise noch drastischer. Der zweite Erzählstrang zeigt Darlings Leben in der Fremde, wo sie trotz des überwundenen Mangels aus der Heimat immer noch kein selbstbestimmtes Leben führen kann. Wir brauchen neue Namen bedeutet eben auch, dass man nicht einfach hinter sich lassen kann, was man erlebt hat und wo man herkommt.
Ein sehr mitreißendes Buch, vor allem im ersten Teil, das einen authentischen Blick in die afrikanischen Armutsviertel und das Leben von Einwanderern gewährt.
Wir brauchen neue Namen stand auf der Shortlist für den Man Booker Prize 2013.