Wir führten im Irak Krieg, weil wir im Irak Krieg führten.
Am 20. März 2003 begann mit der Bombardierung Bagdads der Zweite Irakkrieg, der zum Sturz Saddam Husseins, einer achtjährigen Besetzungszeit durch die USA und das Vereinigte Königreich und heute noch anhalten instabilen Zuständen in der Region führte. Dieser Krieg fand ähnlich wie der Krieg in Afghanistan, immer weniger mediales Interesse, je länger er andauerte. Die Soldaten vor Ort, die Marine Corps, Leichen-Wegräumer, Schützen, Büro-Arbeiter – sie alle lebten in einer Welt, die mit der in ihrer Heimat nichts zu tun hatte und von den Zuhause-Gebliebenen auch nicht nachvollzogen werden konnte. Phil Klay, Autor der mit dem National Book Award 2014 ausgezeichneten Kurzgeschichten-Sammlung Wir erschossen auch Hunde, war selbst als Marine im Irak stationiert. Seine Erzählungen schließen diese Lücke, machen den Krieg und seine Folgen zwar nicht verstehbar, weil er nicht verstanden werden kann, aber erklären, indem sie zeigen, schonungslos, realistisch und detailliert: Soldaten, die aus Langeweile Hunde erschießen oder Playstation spielen, 19jährige, die die Nacktbilder ihrer Freundin allen Kameraden zugänglich machen müssen, weil das Corps über allem steht, zunehmender Hass zwischen Einheimischen und Soldaten, selbst dann, wenn man sich gegenseitig hilft, eine Welt voller Abkürzungen und Spezialbegriffe, die man schon allein deswegen nicht versteht, weil man ihre Sprache nicht beherrscht.
Wir erschossen auch Hunde – denn sie wissen nicht, was sie tun. Oder warum
Dreh- und Angelpunkt der Geschichten sind Einzelschicksale von Soldaten, von Rückkehrern, die versuchen, ihren Freunden, Verwandten, Studienkollegen verständlich zu machen, was ihnen passiert ist. Dabei spielt die Übernahme von Verantwortung eine große Rolle: Alle Figuren, die zerstört aus dem Krieg zurück kommen, selbst, wenn sie es sich nicht eingestehen wollen, haben Befehle ausgeführt und Dinge getan, die sie tun mussten, weil sie sonst vor Gericht gestellt worden wären. Gemeldet haben sie sich aber freiwillig, aus dem Gefühl, ihr Land verteidigen zu müssen, wegen des Geldes, oder weil sie Call of Duty so cool fanden. Auf Heimaturlaub oder gänzlich zurück nach dem Einsatz hadern sie nun alle damit, die Erlebnisse in ihr normales Umfeld einzusortieren, für sich selbst zu erklären, was passiert ist. Dabei hilft ihnen ihre Umwelt in aller Regel nicht – Irak, Afghanistan, Krieg, Besetzung – den Unterschied kennen die meisten nicht und wollen ihn auch gar nicht kennen. Zurück bleiben junge Menschen, die desillusioniert und hoffnungslos aus einem Krieg zurückkommen, den sie selbst nicht verstehen und für den sie sich vor sich selbst rechtfertigen müssen, weil sich sonst niemand dafür interessiert.
Wir erschossen auch Hunde ist eindringlich, ernüchternd und enthält viele Bilder, die einen emotional zutiefst berühren und nach dem Lesen nicht mehr loslassen, sei es der Vater, der zur Begrüßung der Kameraden seines gefallenen Sohnes kommt und jeden einzelnen umarmt, weil zu ihm niemand zurückkommt, oder der ägyptische Kopte, der seinen Vater entsetzt, weil er seine arabischen Sprachkenntnisse dazu genutzt hat, die Feinde im Irak mit wüstesten Beleidigungen aus der Reserve zu locken. Die Schrecken des Krieges sind aufs Individuum heruntergebrochen, und Wir erschossen auch Hunde zeigt besonders deutlich, dass der Krieg am Ende ausschließlich Opfer kennt.