Sie führt das beinahe perfekte Leben, allerdings das einer anderen Zeit: Die Erzählerin in Anna Katharina Fröhlichs Roman Der schöne Gast hat von ihrem Vater Haus, Garten, Bibliothek und sogar den indischen Diener geerbt, und beginnt an einem der zahlreichen italienischen Seen ein aus der Zeit gerissenes Leben. Sie verweigert sich jeglicher moderner Technik und träumt stattdessen – obwohl sie eine gestandene Frau in der Mitte ihres Lebens ist – vom perfekten Mann, der gebildet, galant und von bestem Umgang sein muss. Zunächst scheint sie diesen Mann in Lapo Schifanebbia zu finden, der ihr Zugang zu den sie so interessierenden Adelskreisen verschafft, sie mit seltsamen Geschenken überhäuft und ganz offensichtlich in sie verliebt ist. Doch nach einem Jahr merkt sie, dass er nicht der richtige für sie ist. Der Grund dafür wird später klar: Lapo brachte wohl zu wenig Unruhe in ihr Leben.
Doch das kann ein anderer dafür umso besser: ein junger kroatischer Dichter, namenlos wie die Ich-Erzählerin, kündigt seinen Besuch an, um die Autorin des faszinierenden Essays „Über den Staub“ kennenzulernen. Gerade mal Anfang 20 strotzt der Dichter vor Selbstbewusstsein, das sich sowohl auf sein literarisches Talent als auch auf seine beispiellose Schönheit bezieht, und die Erzählerin ist ihm sofort verfallen. Ihr bisher eher beschauliches Leben wirbelt der schöne Gast durcheinander, und während sie sich glücklich wähnt, ihn an ihrer Seite zu haben, ahnt sie das Ende bereits von Anfang an voraus.
Der schöne Gast aus Kroatien
Der schöne Gast ist in einer besonders poetischen Sprache geschrieben, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, wodurch die anachronistische Hauptfigur auch auf der Sprachebene gespiegelt wird. Man hört nicht, man vernimmt, und man wärmt sich an der feurigen Leuchtkraft nobler Farbgebung. Das ist zunächst eine ziemliche Überraschung, wenn man das Buch aufschlägt, doch schnell erkennt man, dass der romantische Stil, die ausufernden Metaphern und die behäbige Entwicklung der Geschichte eine Methode sind, die Liebesgeschichte zwar mit Pathos aufzuladen, sie jedoch vor jeglichem Kitsch zu bewahren.
Zahlreiche literarische Verweise stehen neben Anspielungen auf unser modernes Leben und unpassend erscheinen stets letztere.
Der schöne Gast ist eine zeitlose Liebesgeschichte, die zum einen durch die Kompromisslosigkeit der geschilderten Emotionen, vor allem aber durch die Sprache überzeugt. Einige Aspekte – der Ort der Handlung, einige Züge der Protagonistin – sind autobiographisch geprägt. Mit ihrem ersten Roman Wilde Orangen war Anna Katharina Fröhlich für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.
Mehr Informationen zu Der schöne Gast gibt es auf der Buchseite des Hanser Verlags.