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Zwischen den Kulturen

von Yvonne

Die Deutschtürkin Isabel, arbeitslose Schauspielerin in Berlin, steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben, und es ist nicht der erste. Nach drei Jahren Beziehung verlässt sie ihr – offensichtlich betuchter – Freund, und Isabel zieht in eine heruntergekommene Wohnung, in das Gegenteil ihres Lebens der letzten Jahre. Anschluss hat sie nur bei den Ausgestoßenen der Stadt, bei Obdachlosen und Prosituierten. Sie selbst lebt einen Teil des Lebens derer, zu denen sie Verbindung hat: Sie geht zur Armenspeisung, in die Kleiderkammer und lässt sich von einem Ehepaar dafür bezahlen, dass sie still neben deren Bett sitzt, während die beiden Sex haben. Die selbst gewählte Außenseiter-Rolle bietet immer wieder Anlass für Wut und Hass, und das einzige Lebewesen, das von diesen Gefühlen ausgenommen ist, ist Isabels Hund Ruby, ein Tier, das für Isabel besser als die Menschen ist.

Isabels Freundin Juliette hat sich vor vier Monaten das Leben genommen, und die Auswirkungen sind für Isabel seit ihrer Trennung noch deutlicher zu spüren als vorher. Aus einer Laune heraus tauscht sie mit Christine, Juliettes leicht verwahrloster Mutter, die Wohnung, doch Christine ist seit dem Tod ihrer Tochter nicht mehr wirklich zugänglich. Isabels Eltern dagegen, die im völligen Gegensatz zu ihrer Tochter ein gut-situiertes, gehoben-bürgerliches Leben in der Türkei führen, wissen die Lösung für alle Probleme ihrer Tochter: ein Ehemann muss her, am besten ein türkischer. Doch auch der Ausflug ins Heimatland bringt Isabel nicht das, wonach sie sucht. Auch hier grenzt sie sich aus, gibt den Kandidaten kaum eine Chance, sich auch nur vorzustellen, und reist unverrichteter Dinge bald wieder ab. In ihr Leben lässt Isabel niemanden. Auch Marcus, Juliettes letzten Freund, der mehr über das Schicksal seiner Ex-Freundin wissen möchte und seit seinem Militär-Dienst im Irak wie Isabel einiges an Wut in sich herumträgt, findet keinen Zugang zu der jungen Frau, die ihn nur bei seiner Berufsbezeichnung „Soldat“ nennt. Dabei möchte Marcus vor allem eine Antwort auf die Frage finden, was mit Juliette passiert ist – was ihn schließlich zu deren Bruder führt, der alle Gründe für Isabels Hass liefert.

Abstieg und Hass von Isabel

Isabel zeichnet schonungslos den Abstieg seiner Hauptfigur nach, deren freiwillige Ausgrenzung sie immer weiter weg von den Menschen treibt, die ihr – zumindest teilweise – wohlgesonnen sind. Dabei beruft sich die Protagonistin auf Selbstbestimmung und Emanzipation in ihrer konsequentesten Form – sie lässt sich von niemandem helfen, steht ausschließlich für sich selbst ein und sucht nur im Schweigen Unterstützung durch Marcus, den sie aber gleich am nächsten Tag wieder fortschickt.

Die Sprache des Romans ist schnörkellos, fast karg. Kurze Sätze stehen nebeneinander, als hätten sie nichts miteinander zu tun, und gleichen darin den Protagonisten des Romans. Umso mehr treffen die unbarmherzig vorgetragenen Erlebnisse Isabels, die einen Blick darauf erhaschen lassen, woher ihr Rückzug von der Gesellschaft kommen könnte.

Isabel steht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2014.

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