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Spiel mit Unwahrscheinlichkeiten

von Yvonne

Es braucht schon mindestens einen explodierenden Pottwal, einen Flugzeug-Absturz und einen von Auftragsmördern bedrohten Natur-Kosmetik-Hersteller, um Sixten Braun in die Tiroler Alpen zu bringen, wo sich für ihn Vergangenheit und Zukunft auf das wundersamste miteinander verbinden.

Mit 26 jettet der Jung-Manager für eine Kölner Firma durch die Welt, um Deals auszuhandeln. In Taiwan ist er dabei zur falschen Zeit am falschen Ort – oder auch zur richtigen am richtigen, wenn man bedenkt, dass diese erste von sehr vielen Unwahrscheinlichkeiten den Grundstein für alles weitere in Sixtens Leben legt. Ein auf einem LKW transportierter, gestrandeter Pottwal explodiert mitten auf der Straße, an der Sixten steht. Ein herausgeschleudertes Organ – wahrscheinlich eine Niere, trifft den noch staunenden Mann so unglücklich am Kopf, dass er zunächst ins Koma fällt und in der Betreuung der wunderbaren Gehirn-Spezialistin Dr. Lana Sanft aufwacht. Die beiden verlieben sich ineinander, verbringen zwei Nächte miteinander, und Sixten plant schon, seine Verlobung zu Hause in Köln aufzulösen. Doch nach einer kurzen Geschäftsreise nach Japan stürzt er auf dem Rückflug mit dem Flugzeug ab – und überlebt auch hier wieder nur dank einiger glücklicher Fügungen. Lana und Sixten verlieren sich aus den Augen, und erst sieben Jahre später – der Ex-Manager ist mittlerweile Bademeister in Stuttgart – hört Sixten wieder etwas über sie, die jedoch mittlerweile gestorben ist. Zurückgelassen hat sie einen Sohn, Simon, der theoretisch Sixtens Kind sein könnte, es aber nicht ist. Dennoch nimmt er den Jungen bei sich auf und geht ganz in der Vaterrolle auf. Und auch darüber hinaus beschert ihm sein neuer Zieh-Sohn etliche unerwartete glückliche Wendungen.

Der Allesforscher und Alles-Verbinder

Heinrich Steinfest hält sich beim Schreiben von Romanen nicht mit Realismus, Wahrscheinlichkeiten oder einem klassischen Plot auf. Wie im Schelmenroman wird Sixten Braun von einer Situation in die nächste getrieben, findet sich schon irgendwie zurecht und ist – ehe Hauptfigur und Leser sich versehen – schon wieder im nächsten Abenteuer. Dabei findet er zwischen bildhafter, fast lyrischer Sprache und ausufernden Beschreibungen immer wieder Platz für Gesellschaftskritik.

Der Allesforscher ist immer überraschend, mit etlichen unwahrscheinlichen Wendungen, poetisch, voller ungewöhnlicher und absolut treffender Bilder und detail-verliebt in Text und Gestaltung des Buchs. Alles in allem ist der Roman definitiv ein ganz besonderes Buch, das einem nicht vorgaukelt, die Realität exakt abbilden zu wollen, sondern dass ganz deutlich immer eine Geschichte erzählt, und eine wunderbare noch dazu.

Der Allesforscher steht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2014.

 

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