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Mit Duct Tape und Erfindergeist

von Yvonne

Das Motiv des auf einer Insel gestrandeten Robinsons hat in Literatur und Film immer wieder für spannende Geschichten gesorgt, denn ein auf sich ganz allein gestellter Mensch wird an die Grenzen von Kraft, emotionaler Belastbarkeit und Intelligenz gebracht. Und doch hatte Robinson es im Vergleich zu Mark Watney geradezu leicht, denn die Hauptfigur aus dem Science Fiction-Bestseller Der Marsianer ist nicht nur alleine, sondern in einer eher gastfeindlichen Umgebung zurückgeblieben: auf dem Mars. Als seine Crew die insgesamt dritte Mars-Mission der Menschheit vorzeitig auf Grund eines Sandsturms abbrechen muss, wird bei der überhasteten Flucht vom roten Planeten Marks Raumanzug von einer Antenne durchbohrt, so dass keine Übertragung von seinem Anzug mehr an den Bord-Computer gesendet werden. Obwohl der Astronaut nur bewusstlos ist, halten seine Mannschaftskollegen ihn für tot und fliegen alleine zurück zur Erde.

Als Watney bemerkt, dass seine Kollegen ohne ihn den Mars verlassen haben, ist es schon zu spät. Seiner ersten Einschätzung, dass er – so sein erster Tagebucheintrag – „so was von im Arsch“ ist, zum Trotz macht er eine erste Bestandsaufnahme seiner tatsächlich ziemlich aussichtslosen Situation. Auf dem Mars überleben kann er nicht, weil es keine Nahrung, kein Wasser und nicht die richtige Atmosphäre gibt. Einen Weg zurück zur Erde gibt es ohne Raumschiff natürlich auch nicht. Doch Mark Watney gibt – und das gilt für den ganzen Roman – nicht auf. Ohne Funkverbindung und ausreichend Nahrung macht er sich daran, die Ressourcen, die er zur Verfügung zu hat, zu nutzen, um zumindest den 4.000 km entfernten Schiaparelli-Krater zu erreichen, in dem in vier Jahren die nächste bemannte Mars-Mission landen wird. Doch zunächst muss Essen, Wasser und Strom erzeugt werden. Die NASA-Ausrüstung bietet dafür allerlei Basis-Mittel und Watney entpuppt sich mit seinem Einfallsreichtum als echter MacGyver im All. Dabei hilft ihm seine Doppelausbildung (die jeder der Astronauten hatte, das spart schließlich die Hälfte der Plätze) als Ingenieur und Botaniker enorm. Und auch andere Missionen vor der seinen haben ein paar brauchbare Sachen auf dem Mars zurückgelassen.

Während Watney zum ersten Mensch auf dem Mars wird und sein Tagebuch füllt, das man als Leser mit Spannung verfolgt, entdeckt man auf Satelliten-Bildern von der Erde aus, dass der Astronaut nicht wie vermutet tot ist, sondern gerade allein ums Überleben kämpft. Auch ohne, dass man genau weiß, wie, ist allen klar, dass man Watney retten will. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, und das Wichtigste, das Mark Watney fehlt, ist eine Kommunikationsmöglichkeit.

Der Marsianer im Kampf ums Überleben

Immer spannend und auch immer sehr detailgetreu, technisch und wissenschaftlich genau erzählt Der Marsianer die mehr als ein Jahr währende Geschichte des Astronauten Mark Watney, der durch Beharrlichkeit, gute Planung und Erfindungsgeist einen Weg durch die wohl unwirtlichste Landschaft überhaupt findet. Das Tagebuch mit den eingestreuten Berichten von der Erde und aus dem Raumschiff seiner Crew mutet so realistisch an wie der Bericht von einem Schiffsunglück. Da Mark ständig vor neue Herausforderungen gestellt wird, will man natürlich unbedingt wissen, wie es weitergeht, und kann das Buch bis zum Schluss kaum aus der Hand legen.

Was Hauptfigur Mark Watney vor allem ausmacht und die Identifikation mit ihm sehr leicht fallen lässt, ist sein unerschütterlicher Optimismus. Kein Fehlschlag, keine noch so unlösbar erscheinende Katastrophe hält ihn davon ab, es weiter zu probieren und fest daran zu glauben, dass er es schaffen kann. In all der Hoffnungslosigkeit, die seine Situation eigentlich auslösen müsste, behält „der Marsianer“ noc hseinen Humor, was den Roman an manchen Stellen nicht nur spannend und interessant, sondern auch sehr witzig macht.

Nebenbei erfährt man als Leser viele spannende Details, wie zum Beispiel dass ein Mars-Tag Sol heißt und nicht viel kürzer als ein Erdentag ist, dass ein Botaniker auf einer Mars-Mission durchaus einen sinnvollen Platz hat und dass (ich hab’s schon immer geahnt) Klebeband das beste Werkzeug von allen ist. Und bei den vielen Überwachungsgeräten, Messwerten, die stimmen müssen, und Möglichkeiten des katastrophalen Fehlschlags wird einem immer wieder bewusst, wie unglaublich klein die Bandbreite ist, in der menschliches Leben überhaupt möglich ist, und wie unwahrscheinlich und schätzenswert unsere Existenz ist. Ein weiterer sehr optimistischer Aspekt des Romans, den auch Hauptfigur Mark Watney wahrnimmt, ist die schier unglaubliche Hilfsbereitschaft, die diesem einzelnen Menschen in Gefahr durch die ganze Menschheit entgegen gebracht wird.

Die Idee, eine Robinsonade auf dem unwirtlichen Mars spielen zu lassen, ist nicht ganz neu. Bereits die Science Fiction-Romane No Man Friday und Notlandung im Weltraum spielten in einem ähnlichen Setting. Allerdings erlangten diese beiden Bücher bei weitem nicht den Erfolg, der Andy Weir mit seinem Buch zuteil wurde. Dies ist unter anderem sicher auch der intensiven Recherche des Autors zuzuschreiben, der für Der Marsianer zwei Jahre lang Fakten sammelte, um den Roman möglichst realistisch und technisch aktuell zu halten.

Die spannende Geschichte von Der Marsianer schreit geradezu nach einer Verfilmung, was auch dem Filmverleih Twentieth Century Fox nicht verborgen blieb. Sie sicherten sich die Rechte an dem Roman kurz nach der Veröffentlichung. Aktuell wird der Stoff unter der Regie von Ridley Scott mit Matt Damon (den man zuletzt in Interstellar im Raumanzug bewundern durfte) und Jessica Chastain (die im selben Film ebenfalls mitspielte) in den Hauptrollen verfilmt. Der Film soll im November 2015 in die Kinos kommen. Bleibt zu offen, dass der Witz und die Wissenschaftlichkeit der Romanvorlage auch im Film erhalten bleiben.

Dieser aktuelle Erfolg war Andy Weir jedoch nicht von Anfang an beschieden. Von mehreren Verlagen abgelehnt entschloss er sich 2011, Der Marsianer kostenlos auf seiner Webseite zu veröffentlichen. Die Fans waren so begeistert von dem Debütroman des Autors und Programmierers, dass sie ihn baten, eine Version für den Kindle auf Amazon bereitzustellen, wo er 99 Ct. für den Roman nahm, weil dies der niedrigste einstellbare Preis war. Bei Amazon stürmte das E-Book dann die Verkaufscharts für Science Fiction-Literatur, was die Verlage doch noch auf die Story aufmerksam machte. Zum Glück – diese spannende Überlebensgeschichte eines findigen Ingenieurs (und Botanikers) ist für Freunde von Robinsonaden interessant, unterhaltsam für jeden, der spannende Abenteuergeschichten mag, und begeistert auf Grund der vielen technischen Details auch eingefleischte Science Fiction-Fans.

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